Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse
Versprechungen zu und teilten sich ihre Hoffnungen mit, wie sie sich in der Welt einrichten würden, wenn der Wahnsinn des Krieges erst vorbei war.
Als der Hahn krähte, fand Alejandro sie friedlich schlafend. Sanft rüttelte er mit einer Hand an Karles Schulter und flüsterte:
»Karle, es ist Zeit!«
Er hatte beschlossen, Navarra aufzusuchen. »Obwohl der Gedanke daran mir Brechreiz verursacht«, hatte er Kate und Alejandro am Abend zuvor gestanden, »nicht aus Furcht, sondern aus Ekel vor den Dingen, die er auf dem Gewissen hat. Ich weiß nicht, wie ich mit einem solchen Mann sprechen soll, ohne daß mich der Wunsch überkommt, mich auf ihn zu stürzen und ihm die Kehle aufzuschlitzen.«
Kate hatte gefragt: »Wie können wir sicher sein, daß er sich nicht auf dich stürzt und dir die Kehle aufschlitzt, bevor du überhaupt den Mund öffnest?«
»Gar nicht.«
»Dann bleib hier«, hatte sie gefleht.
»Ich muß gehen – als Führer unserer Armee. Navarra ist der Führer jener anderen. Zwischen uns sind Dinge zu regeln. Selbst solcher Abschaum wie Navarra weiß, daß er sich dessen Truppen zum Feind macht, wenn man den Anführer seiner Verbündeten abschlachtet. Wir haben genügend Soldaten, um ihm den Sieg über den Dauphin zu garantieren. Er sollte es sich nicht mit uns verderben.«
»Vielleicht noch nicht«, hatte Alejandro eingewandt.
Worauf Karle geantwortet hatte: »Oder auch niemals. Aber wenn ich nicht gehe, blamieren wir uns vor ihm. Er wird uns durch Lächerlichkeit umbringen. Und wir sind zu weit gediehen, um das zuzulassen.«
Alle Leutnants wurden in das Lager hinausbeordert, und sie begannen, Karle auf seine Begegnung mit Navarra vorzubereiten. Sie zogen ihm seine Bauernlumpen aus, wuschen, kämmten und parfümierten ihn; dann legten sie ihm die feinen Kleider an, die Alejandro getragen hatte, als er de Chauliac entflohen war. Aus den Rüstungen, die bäuerliche Rebellen in Meaux den von ihnen getöteten Adeligen abgenommen hatten, wählten sie die besten Stücke aus. Sie schnallten ihm eine metallene Brustplatte und in Schuppen gearbeitete Beinschützer um; während Kate die Riemen um die Waden ihres Mannes festzog und die Falten seines Hemdes zurechtzupfte, dachte Alejandro bei sich, welche Ironie es war, daß sie, für diese Art Tätigkeit geboren, sie nach so vielen Umwegen nun endlich ausübte.
»Ich habe keinen Helm«, sagte er, als sie fertig waren.
»Das macht nichts«, zerstreute Kate seine Bedenken. »Keiner wird dich für etwas Geringeres als einen Prinzen halten.«
Er lächelte und sagte: »Da eine Prinzessin es sagt, ist es sicher wahr.«
»Ich werde dir immer die Wahrheit sagen, mein Gatte!« Geschwind küßte sie ihn auf die Wange. Er drückte seine Lippen auf ihre Stirn und schwor ihr flüsternd ewige Liebe. Alejandro wandte sich ab, damit sie seinen Kummer nicht sahen.
Karle verließ das Langhaus und bestieg das Pferd, das für ihn gebracht worden war, ein großer, kräftiger schwarzer Hengst mit lebhaftem Gang und feurigen Augen. Auch das Tier hatte man geschmückt: Rote und blaue Stoffstreifen waren in seine Mähne geflochten; Rücken und Flanken bedeckte eine cremefarbene Decke mit Bogenkanten, bestickt mit einer goldenen Lilie in einer tiefblauen Raute. Karle wirkte nicht wie der roi des Jacques, sondern eher wie ein Prinz, und bei seinem Erscheinen jubelten seine Leutnants: » Vive Karle! Vivent les Jacques! «
Zu Pferde sitzend, hielt Karle eine leidenschaftliche Rede an jene, die er zu seinen Unterführern ernannt hatte. Sie war weit entfernt von jenen Aufrufen an Straßenecken, mit denen er früher in Dörfern und Marktflecken aufgetreten war. Doch sie hatten den Grundstein für das Werk gelegt, das jetzt in Compiègne zu voller Blüte gelangen sollte. »Wir sind eine Schlacht von der Verwirklichung unserer Träume entfernt«, erhob er seine Stimme. »Eine einzige Schlacht. Und die wird morgen stattfinden. Wir werden uns mit den Kräften von Charles von Navarra vereinigen und gegen den Dauphin kämpfen, wir aus unseren Interessen, Navarra aus seinen. Und obwohl wir vorübergehend Verbündete sind, wird unser Bündnis enden, wenn die Schlacht gewonnen ist. Ich werde Navarra unsere Forderungen präsentieren, uns selbst zu regieren. Und wenn er diesen Forderungen nicht entspricht, dann werden wir für sie kämpfen, notfalls bis zum letzten Mann.«
Nach diesem Schlußsatz herrschte düsteres Schweigen. Karle schaute seine Leute an und sagte: »Mit Gottes Hilfe wird es
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