Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse
dazu nicht kommen.«
»Mit Gottes Hilfe«, murmelten alle.
Er führte das Pferd dahin, wo Kate neben Alejandro stand, und reichte ihr die Hand. In strahlender Anbetung ergriff sie seine Hand, und Alejandro hob sie hoch, so daß sie im Sattel vor ihrem Gatten landete. Er schlang einen Arm um ihre Taille und ritt hinaus auf die Wiese. Seine Leutnants folgten ihm auf den Fersen. Sie umrundeten das Übungsfeld unter Jubel und Hochrufen der buntgescheckten Armee, die dort versammelt war, winkten und lächelten; alle, die sie sahen, rissen die Arme hoch und schwangen die Fäuste, Schwerter, Knüppel, Speere oder andere primitive Waffen, die gerade zur Hand waren. Danach ritten Karle und Kate zum Langhaus zurück, und Karle gab seine letzten Anweisungen.
»Wenn ich heute abend nicht wieder da bin, dann zieht morgen früh in der Formation aus, die wir vereinbart haben. Denn wenn ich nicht heil zurückkomme, werdet ihr wissen, daß wir gegen Navarra kämpfen müssen, nicht gegen den Dauphin. Tut alles, was nötig ist, um ihn aus der Deckung zu locken, und wenn seine Truppen exponiert sind, greift an!«
Kate erhielt noch einen Kuß, dann setzte er sie neben Alejandro ab. Er beugte sich nieder und sagte: »Einmal habt Ihr Eure Tochter in meine Obhut gegeben, damit ich sie vor allem Leid bewahre. Ich habe mich der Aufgabe würdig erwiesen. Jetzt bitte ich Euch, Arzt, sorgt dafür, daß meiner Frau nichts zustößt.«
Alejandro erwiderte seinen Blick und nickte. Karle wendete sein Pferd und ritt davon.
Von seinem Ausguck auf der Mauer des Châteaux aus beobachtete Charles von Navarra, wie die winzige Staubwolke auf der Straße nach Westen allmählich größer wurde. Er hatte recht ungeduldig auf diesen Reiter gewartet, und er brannte vor Neugier auf den Bericht des Mannes. Wenn Guillaume Karle seiner Aufforderung Folge leistete, würde er vor Mittag eintreffen. Navarra schätzte nach dem Stand der Sonne, daß es bald so weit wäre. Er war versucht, ihm einen Stallknecht mit einem frischeren Pferd entgegenzuschicken, entschied sich dann aber dagegen.
Alles zu seiner Zeit, sagte er sich. Die Einzelteile setzten sich nach und nach zu einem Ganzen zusammen. Geduld war vonnöten.
Wie er das Warten haßte! Was würde sein Spion ihm wohl berichten? Er starrte auf die Staubwolke, als könne sein Wille sie zwingen, sich schneller zu bewegen; aber sie behielt ihr gleichmäßiges Tempo bei, ein Tempo, das am Boden schnell wirkte, aber aus luftiger Höhe, wie der Himmel es sehen mochte, eher dem Tempo einer Schnecke glich. Würden die Truppen des Dauphins, wie man munkelte, seinen eigenen an Zahl weit unterlegen sein? Dann hätte er das Bündnis mit Karle nicht nötig. Oder hatten die Anhänger des Dauphins so viele Kräfte gesammelt, daß man sie ernst nehmen mußte?
Der Reiter würde es wissen. Er brauchte nur zu warten.
KAPITEL 30
Kristina erschien am späteren Vormittag und legte Janie die Ergebnisse ihrer Bemühungen vor – eine Schachtel voll kleiner, gut ausgepolsterter Päckchen, jedes an einen der auswärtigen Mitarbeiter adressiert.
»Der Extrakt von Alejandro«, sagte sie mit einem triumphierenden Lächeln. »Bereit, in die Schlacht zu ziehen. Genug, um jeden einzelnen der Jungen zu behandeln, von denen wir wissen. Wir werden sie per Flieger verschicken müssen.«
»Ich kann gar nicht fassen, daß Sie das so schnell geschafft haben«, meinte Janie ungläubig.
»Nachtschicht – habe am Computer geschuftet wie ein Kuli!«
»Gute Arbeit«, lobte Janie. Dann fügte sie etwas zögernd hinzu:
»Das ging wahrhaftig schnell. Sind Sie ganz sicher, daß Sie es richtig hingekriegt haben?«
»Es ist perfekt. Ich versprech’s Ihnen.«
So viel Überzeugung. »Nun, dann bringen wir das Zeug auf den Weg, bevor …«
Eigentlich hatte sie sagen wollen: bevor es zu spät ist. Statt dessen beendete sie den Satz mit: »Bevor alle Speditionen schließen.«
Mit ein paar Berührungen des Bildschirms von Toms Telefon rief Janie die Nummern aller Speditionen in der Umgebung auf, die Luftfracht versandten. Dann probierte sie es rasch bei der nächstgelegenen.
Doch dort nahm man für den Tag keine Lieferungen mehr an. Janie legte also auf und versuchte es bei der nächsten Spedition. Sie arbeitete sich durch das Alphabet und bekam immer wieder die gleiche Antwort zu hören: »Wir schaffen es zwar an den Bestimmungsort, aber zuerst müssen Sie es zu uns bringen.« Eine Spedition hatte eine Maschine abflugbereit auf der Rollbahn
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