Bereue - Psychothriller (German Edition)
Klamotten. “Mir geht’s gut”, knurrte Ben und setzte sich auf die Untersuchungsliege ohne den Blick von dem widerspenstigen Hemdknopf auf Herzhöhe wenden.
Das Seufzen des Arztes klang selbstmitleidig. “Dann gehen Sie zumindest so bald wie möglich zu einem Herzspezialisten. Angina Pectoris-Anfälle können die Vorboten eines Herzinfarktes sein.”
Das wusste er doch. Kein Stress, auf eine gesunde Ernährung achten. Sollte er jemals in ein normales Leben zurückfinden, würde er es versuchen. “Ja ja.”
“Ich habe hier Nitroglyzerin-Tabletten, falls Sie wieder einen Anfall haben sollten. Bei einem Herzinfarkt helfen die allerdings nicht.” Ein Blister mit roten Pillen landete neben Ben auf der Liege.
Der wollte ihm Angst machen. Aber das würde ihm nicht gelingen. Nicht mehr. “Danke”, brummte er und fummelte den letzten Knopf zu. Er wollte nur noch raus aus diesem Krankenhaus. Seine Blessuren waren begutachtet und versorgt worden. Hätte er nur nichts von dem Stechen in der Brust und den in den Kiefer ausstrahlenden Schmerzen erzählt. Drei Stunden hatte ihn der Kardiologe festhalten und mit EKG und weiteren Untersuchungen traktiert. Dabei hatte er doch keine Zeit.
Er musste zu Berglehner. Noch immer wusste er nicht, ob Jakob gestanden hatte. Wenn Jakob nicht redete, würde die Welt nie e rfahren, was er alles getan und warum er es getan hatte. “Kann ich jetzt gehen?”
Der Arzt nickte, die Stirn in tiefe Dackelfalten gelegt. “Natürlich. Sie sind ein freier Mensch.”
Wie passend. Wenn der wüsste. Er war sogar vogelfrei. Die Tabletten, die gegen die Herzschmerzen helfen sollten, schob er in die Hemdtasche.
Vor der Tür erwartete ihn Richard. Sein Bruder stieß sich von der Wand ab. “Verdammt, Alter. Was machst du für Sachen.” Zögernd legte Richard ihm eine Hand auf den Arm.
Wortlos umarmte Ben seinen kleinen Bruder. Lange hielt er sich an ihm fest. Es tat so gut, wieder einen Bruder zu haben. Einen Freund. Langsam löste er sich. Er sah seine eigene Gemütsbewegung im Gesicht gegenüber. Energisch wandte er sich dem Ausgang zu. “Kannst du mich zu meinem Wagen fahren? Der steht noch bei dieser alten Metzgerei.”
Gemeinsam drängelten sie sich durch das Gewusel auf dem Gang. Schwestern, Ärzte, Patienten. An diesem Freitag Mittag war einiges los.
“Du solltest noch nicht selbst fahren.”
Ben blieb stehen. Richard ging weiter. “Mir geht’s gut. Ich habe vielleicht nicht geschlafen diese Nacht und etwas Kopfschmerzen. Aber sonst bin ich okay”, wiederholte er. “Die haben gute Pillen hier.”
“Ja, klar. Alles super.” Richard verschwand in der gläsernen Drehtür.
Ben folgte ihm ins Freie. Die Sonne traf ihn mit Wucht. Mit der Hand beschattete er seine Augen und blinzelte wie ein Maulwurf, den ein Fuchs ausgegraben hat.
Richards Gestalt verschwand zwischen den Reihen geparkter Autos.
Schnell lief Ben hinterher. “Ich will dich nicht unnötig belasten”, schnaufte er, als er ihn eingeholt hatte.
Ruckartig blieb Richard stehen. “Von wegen. Du willst dir nur nicht helfen lassen”, knurrte er ohne Ben anzusehen. “Du änderst dich nie.”
“Du hilfst mir am meisten, wenn ich ein paar Tage bei dir schlafen könnte. Natürlich nur, wenn deiner Frau das recht ist.” Hoffentlich hatte Richard ein Bett oder eine Couch für ihn. Geld für ein Zimmer hatte er nicht, und bevor er vor Vater auf den Knien rutschte, würde er lieber wieder im Wagen schlafen.
Richard drückte die Fernbedienung. Die Limousine piepste, die Blinker blinkerten. “Solange du willst. Du wirst aber auf der Couch schlafen müssen. Wir haben kein Gästezimmer.”
Couch. Das klang direkt luxuriös. “Perfekt. Danke.” Er ließ sich auf den Beifahrersitz fallen.
Richard setzte sich neben ihn, schnallte sich an und startete den Motor. Aber er fuhr nicht los. Die Hände gegen das Lenkrad gestemmt sah er zu Ben hinüber. “Wann willst du mit unseren Eltern reden?”
“Die lesen alles morgen in der Zeitung”, knurrte Ben. “Fahr schon.”
Kopfschüttelnd lenkte Richard den Wagen zwischen den anderen Autos hindurch auf die Straße. Nervenaufreibend ruhig. Bens rechter Fuß drückte gegen die Fußmatte. Wann gab er endlich Gas.
Richard verzichtete zugunsten einer alten Schachtel im Rentner-Benz auf die Vorfahrt. “Du musst endlich lernen, die beiden so zu a kzeptieren, wie sie sind.”
Ben schnaubte. Er sah das entrückte Lächeln seiner Mutter vor sich, in der einen Hand das Gin
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