Berg der Legenden
gab George zurück. Ehe irgendjemand etwas dazu sagen konnte, wandte er sich an seinen ältesten Freund und sagte: »Was hältst du davon umzukehren, Guy?«
Bullock antwortete nicht sofort, obwohl der Rest der Mannschaft darauf wartete.
»Ich bin immer noch bereit, mich deinem Urteil zu beugen, George«, sagte er schließlich, »und noch ein paar Tage hierzubleiben, um zu sehen, ob sich das Wetter bessert.«
»Ich auch«, sagte Irvine. »Aber andererseits hätte ich auch keine Bedenken, jetzt umzukehren. Schließlich bin ich der Einzige hier, der jung genug ist, es noch einmal versuchen zu können.«
Der Rest der Männer lachte, was half, die Anspannung zu lösen.
»Warum warten wir nicht noch eine Woche ab, ehe wir den Laden endgültig dichtmachen«, schlug Odell vor. »Wenn das Wetter sich bis dahin nicht gebessert hat, sollten wir unsere Niederlage eingestehen und nach Hause zurückkehren.«
George sah sich in der Runde um. Alle Kollegen nickten. Er erinnerte sich an B. C. Bensons weisen Rat: Wenn Sie wissen, dass Sie geschlagen sind, treten Sie in Würde ab .
»Einverstanden«, sagte George. »Wir werden noch sieben Tage ausharren. Wenn das Wetter sich bis dahin nicht bessert, übernimmt Norton wieder das Kommando, und wir kehren nach England zurück.«
George spürte, dass er einen Tagessieg errungen hatte – oder genauer gesagt, den Sieg für sieben Tage. Aber würde das reichen?
***
29. Mai 1924
Und so kannst Du mich, solange das Wetter es sich nicht innerhalb der nächsten paar Tage anders überlegt, gegen Ende August in England zurückerwarten, spätestens Ende September.
Bitte richte Clare meinen Dank für ihr wundervolles Gedicht aus – Rupert Brooke wäre stolz auf sie – und Beridge für ihr Katzenbild, oder ist es ein Hund? Ganz zu schweigen von Johns Grüßen, kurz, aber hochgeschätzt.
Ich freue mich, dass Du die Zeit gefunden hast, Cambridge zu besuchen und angefangen hast, nach einem Haus zu suchen. Und danke für die Warnung, dass es in den Fens zu dieser Jahreszeit recht kalt werden kann.
Liebes, ich freue mich auf meine neue Stellung, und darauf, in einem Bett mit einer Frau zu schlafen, die ich festhalten möchte, und nicht mit einem Mann, an den ich mich klammern muss, nur um am Leben zu bleiben. Wenn ich dieses Mal nach Hause komme, werden keine Menschenmassen am Kai stehen, um Mallory of Everest zu begrüßen. Nur eine junge Dame wird auf einen Mann mittleren Alters warten, der sich darauf freut, den Rest seines Lebens mit der Frau zu verbringen, die er liebt.
Dein Dich liebender Mann
George
57
Montag, 2. Juni 1924
Und dann waren’s nur noch fünf. An einem klaren, windstillen Morgen frühstückte George gerade, als ein Sherpa aus dem Basislager ankam und ihm ein Telegramm überreichte. Er riss es auf, las langsam den Text und lächelte, als er die Schlussfolgerung bedachte. Norton saß im Schneidersitz neben ihm auf dem Boden.
»Können wir kurz reden, alter Knabe?«
»Ja, natürlich«, sagte Norton und legte seine Schinken- und Zungenscheiben beiseite.
»Ich frage Sie ein letztes Mal«, sagte George. »Wenn ich Ihnen anböte, mich beim Gipfelversuch zu begleiten, wären Sie dann bereit, Sauerstoff zu verwenden?«
»Nein«, erklärte Norton bestimmt.
»Also gut«, sagte George ruhig und akzeptierte, dass keine noch so ausgiebigen Diskussionen Norton dazu bringen könnten, seine Meinung zu ändern. »In diesem Fall werden Sie den ersten Gipfelversuch unternehmen, ohne Sauerstoff. Wenn Sie Erfolg haben …«
***
»Gentlemen«, sagte George, nachdem er seine Männer zusammengerufen hatte, »tut mir leid, dass ich Sie beim Frühstück stören muss, aber ich habe soeben eine Nachricht von meiner Schwester in Colombo erhalten.« Er schaute auf Marys Telegramm. »Eine Woche, vielleicht zehn Tage guten Wetters, ehe der Monsun Euch erreicht. Viel Glück.« George blickte auf. »Wir dürfen keine Zeit verlieren. Ich hatte mehr als genug Zeit, alle Möglichkeiten durchzuspielen, und möchte Ihnen jetzt meine Überlegungen mitteilen. Ich habe zwei Seilschaften für die Gipfelversuche zusammengestellt. Norton und Somervell gehen zuerst. Sie werden in einer Stunde aufbrechen und versuchen, vor Anbruch der Nacht das Lager V auf 7710 Metern zu erreichen. Morgen werden sie früh aufstehen müssen, wenn sie darauf hoffen, den Nordostgrat zu erreichen, auf etwa 8230 Metern Lager VI aufzubauen und vor Sonnenuntergang ins Bett zu gehen. Sie müssen so viele Stunden Schlaf
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