Berge Meere und Giganten (German Edition)
ich nach dir. Komm. Die Sonne geht auf. Es ist so hell. Leg dich zu mir.« »Ich weiß nicht, wie mir ist, wenn ich dich sehe.« »So steh nicht still. Liebst du mich nicht?« »Ich ängstige mich, nein, mich graust es vor dir.« »Vor mir, vor mir?« sie lachte, ihn heftig umschlingend, »aber ach sprich nicht so, ich habe solche Sehnsucht nach dir.«
Er wollte sich von ihr lösen, aber sie hielt ihn fester. Er bettelte: »Süße Elina, was ist dir. Habe ich dich gekränkt. Hab’ ich dir weh getan.« »Ich bin gut. Mehr als gut. Wie du süß bittest. Peinige peinige mich nicht.« »Nicht peinigen. Meine Elina. Deine übermüdeten Augen.« »Jetzt bist du mein Jonathan.« Sie warfen sich auf ihr noch offenes noch warmes Bett. Unersättlich war sie in ihrer Raserei. Sie weinte immer: »Ich habe dich so entbehrt.« Er tröstete sie; es tat ihm tief wohl sie zu trösten.
Nach Stunden, am hellen Vormittag, stand sie vor ihm, der geschlafen hatte. Er zog sich rasch an. Sie küßte ihn, während er sich anzog; er mußte sie abwehren. Sie bat und drängte, er möchte sie doch lassen. Und als sie vor dem schneebedeckten Garten standen, die winterlichen Felder rechts und links, erblaßte sie, klammerte sich an ihn. »Jetzt geh’ ich bald weg.« »Nicht zu Marduk.« »Ich muß.«
Sie ließ ihn los, stürzte ins Zimmer. Wie sie im weißen Pelzmantel, die Pelzkappe auf dem Haar, neben ihm war, blickte sie ihn an, dem der Kopf auf die Brust gesunken war. Sie hob die Arme: »Ich kann nicht.« Sie lief, während er sich nicht bewegte, durch den weißen Garten weg auf die Allee, schluchzend: »Ich kann nicht.«
Und erst, als sie eine Stunde gelaufen war, hörte sie auf zu weinen. Sie sah die schneebeladenen Bäume, die endlos weiten Felder. Matter war sie. Sie atmete tief. Sie fühlte: »Ist dies schön!« Und dann immer: »Ich geh’ zu Marduk.«
DIE HORDEN bildeten in den Lagern ihre barbarischen Sitten aus. Sie zwangen sich zu hungern, in der Kälte sich halbnackt zu bewegen, gröbste Ackerdienste zu tun. Die Äcker der Krieger, von Tag zu Tag neu mit Steinen besät, waren berüchtigt. Folterspiele, die dicht an den Tod des Gefolterten führten, waren im Schwange. Laufen über spitze Kiesel mit nackten Sohlen leitete ein. Dann nächtiges unerwartetes Kämpfen mit einem starken Menschen, der die Schlafenden überfiel. Keiner kam dem Schreienden zu Hilfe; bis zum Tode hatte er sich zu behaupten und oft führte die Wildheit des Kampfes zum Tode eines, meist des Neulings. In den Horden hatte man verschiedene Abzeichen, aber nirgends herrschte despotischer Gehorsam. Die Gesiebten führten eine Art Ratsversammlung, wobei sie finsteren Ernst bewahrten, über Neulinge berichteten, Aufnahmen bestimmten. Vor diesen Versammlungen fanden auch die sogenannten »Zeichnungen« der Neuen statt. Das waren in den Horden, je nach dem Vorwiegen barbarischer oder weißer Elemente, verschiedene Prozeduren; man wechselte auch in den Horden selbst damit: Einbrennen von Brustschildern, Zertrümmerung einer oder beider kleinen Zehen, Ausschlagen von Zähnen. Bisweilen wurden diese Maßnahmen abseits vollzogen, in der Regel vor der schweigenden Ratsversammlung, die in erhaltenen Lagerräumen, alten noch kostbar ausgeputzten Vergnügungsbauten stattfand. Sitten dieser Art waren seit dem Umschwung im Märkischen nach dem Uralischen Krieg allgemein geworden. Die »verlängerte Taufe« war eine Prozedur, die viele Mütter an ihren Neugeborenen übten: Unterwassserhalten der Säuglinge bis zu einem gegebenen Zeichen. Diese »Taufe« forderte zahlreiche Opfer und war ein Mittel, überflüssige und ungewünschte Kinder, besonders weibliche, aus der Welt zu schaffen. An »Tölpelspielen« übten sie sich, höchst gefährlichen Spielen, bei denen Gefangene an nicht sehr wirksame Nahapparate gestellt wurden. Den Gefangenen gab man zu ihrem Erstaunen solche Apparate in ihr Gefängnis, das sie burgartig ausrüsten durften. Aber rasch erlebten sie, was man mit ihnen vorhatte: nächtliches Fortnehmen der Apparate durch Männer, die sich einschlichen; denn sie hatten ihre Gefängnisse selbst zu bewachen; an Ausbruch dachte niemand bei der Nähe der stärksten und listigsten Menschen und der nicht weit entfernten schweren Fernapparate, Nebelwerfer Wolkenentwickler Verzauberer Veräscherer. Plötzlich stand jemand neben ihnen, tat, als wenn er sie besuchen wollte, vielleicht verräterische Freundschaft mit ihnen anknüpfen. Und bald stieß er das gelle
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