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Berge Meere und Giganten (German Edition)

Berge Meere und Giganten (German Edition)

Titel: Berge Meere und Giganten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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benachrichtigte Zimbo den von Magdeburg anrückenden Angelelli, daß er die Aufrührerbande der Castel entwaffnet und gefangengenommen habe. Die Castel und drei Unterführerinnen schickte er mit einer sehr kleinen Bedeckung gegen Hannover zu Marduk. In einem Begleitbrief erklärte er, er stelle sich, im Besitz starker Waffen, die er den Aufrührern durch List abgenommen hätte, zu Marduks Verfügung. Er schüttelte sich freudig, als der Transport mit der Castel sich von ihm verabschiedete: »Du bekommst keine Rübe, Angela Castel. Du bist für Höheres ausersehn. Laß dir von Marduk das Fenster zeigen, durch das die Balladeuse gesprungen ist.«

    WIE JONATHAN wiedererwachte, war sein leichter Metallflieger zertrümmert. Er mußte in tagelangem Marsch durch das gefährliche winterliche Land. Im Mecklenburgischen war sein Sitz. Er wanderte zuletzt auf den Wegen, die die Castelsche Horde von Lauenburg her genommen hatte; den Treibjagden der Bauern auf verdächtige Menschen sah er zu. In ein weißes Schafsfell gehüllt wanderte der stille Mann; geängstigt wie unter einer Verfolgung war er. Die Flüche der Leute hetzten ihn. In einer dunklen Weise kam ihm vor, daß er mit diesen Bauern verbunden war, und er wollte sie nicht lassen. Und zitternd fühlte er, daß er sie verraten hatte. Ein Verhängnis hatte ihn bewogen, sich den Täuschern an die Brust zu werfen. Er sah sich plötzlich in Gedanken laufen von den Rathausstufen hinter einem zerlumpten Mädchen: Elina. Mit ihr fing es an. Dann die Flucht, die Reise mit ihr, die Verlockungen, die Liebe zu ihr. Er blieb, kaum eine Stunde von seinem Haus entfernt, bei einem befreundeten Täuscher, einem alten Mann, der verwundert um ihn herumging, weil er bedrückt war, während ihnen die Stadtschaft schon zufiel. Giftig entfernte sich Jonathan aus seinem Zimmer, schloß sich in einer Versuchskammer ein. Er saß auf einer Kiste, saß von Mittag bis in die Finsternis. In der Nacht zuckte er, wie er nur eine unruhige Stunde geschlafen hatte, auf und saß hoch: Flammen waren vor seinen Augen, in den Flammen brannten Teile von Menschen, Schultern Arme, ein sich windender Leib mit bloßem Nabel: das regte sich, loderte grellrot. Seine Mutter. Seine Mutter brannte. »Zu Marduk, zu Marduk«, schrie es in ihm. »Ich muß hin. Ich kann nicht. O Hilfe.« Und wie er sich ankleidete mit klammen Fingern, wimmerte er: »O Hilfe.« Er lief aus dem Haus. Im Finstern fand er sich nicht zurück. Er wollte nach Hause. In einer Ackerfurche mußte er in der tiefen Finsternis zwei Stunden warten, bis das graue Licht am Himmel erschien. Da begann er zu stampfen und zu wandern. Er schlug gegen die Tür seines Hauses: »Ist wer da? Ist wer da?« Und immer brüllte er, ohne die Antwort abzuwarten: »Ist wer da?« Auch noch als Elina erschrocken heraustrat, schrie er und schlug gegen die Tür: »Ist wer da?« Hereingezogen hörte er nicht auf zu rufen, bis sie ihm mit der Hand den Mund verschloß, ihn auf eine Bank herunterzog, wo er stier saß und die Fäuste ballte, ohne zu sprechen. Sie hatte nur einen dünnen Überwurf an; wie sie seinen Kopf an ihre Brust zog, fühlte er die Wärme, bog sich ab, murmelte wieder fremd: »Wer ist da?« Und ging stürmisch mit wilden Blicken herum. »Bleib sitzen« bat er sie nach einer Weile, wie er einen Schemel heranziehend sich vor sie setzte, die auf der Bank das Gesicht verhüllte. »Ich bin ohne Hilfe, Elina. Ich weiß, wenn ich mit dir spreche, auch du kannst mir nicht helfen. Marduk hat mich, als ich zu ihm kam, ergreifen lassen. Man hat mich hochgehoben. Ich bin betäubt worden.« Sie weinte auf, er ließ sie nicht an sich kommen. »Wo soll ich jetzt hin, Elina. Ich kann nicht allein sein. Ich muß zu ihm.« »Was hast du ihm gesagt, Jonathan.« »Daß ich ein Täuscher bin. Es mußte heraus aus mir. Ich schämte mich meiner. Es ist heraus. Es ist gut. Ich habe mit den Täuschern nichts zu tun. Ich hatte nie etwas mit ihnen zu tun. Nie. Ich verfluche sie.«
    Seine Augen brannten fremd und feindlich gegen sie. »Und Marduk?« »Hat an mir getan, was recht ist. Nur nicht genug. Gepeitscht und gebrannt hätte ich werden müssen. Das hätte mir zugestanden. Oder mich auslöschen. Jetzt bin ich ohne Hilfe. Oh. Oh.« »Du bist doch bei mir, Jonathan. Wir wollen fort aus dem Land.« »Ich will nicht. Ich trag mich ja nicht weg. Ich geh nicht von ihm. Ich geh nicht weg von ihm. Ich – kann auch nicht. Jetzt weißt du’s.« »Ich hab es schon immer gewußt.« »Jetzt

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