Berge Meere und Giganten (German Edition)
mir.«
Sie erlebte noch in derselben Nacht einen furchtbaren Angriff der Barbaren auf die Gefangenen. Sie hörte das Todesröcheln einer erwürgten Frau in ihrer Nähe, das Knattern der kleinen Glutschleuderer, sah die erleuchteten tobenden entdeckten Männer, halbnackte, mit bloßen Füßen, über deren Körper die entzündete Masse wie ein Schleier lief. Unter trokkene Lederschürzen warf man sich; sie lag neben der Castel. »Muß ich das oft erleben« fragte sie am grauen Morgen die Castel. Die lächelte böse, noch liegend: »Solange es den Hunden gefällt, uns anzugreifen.« »Weiß Marduk davon?« »Gut, mein Hühnchen. Schlaf noch, damit du in der Nacht munter bist.« »Was hat er mit mir vor?« sann Elina. »Er hat mich wie eine Fremde angesehen.« Sie mußte tagsüber dauernd zusehen, wie man tote Männer zum Fenster hinauswarf. Die Zahl der Frauen verminderte sich. Nacht um Nacht, Tag um Tag wurden welche geraubt erwürgt erschlagen, kamen von Nachbarapparaten um. Die angreifenden Horden liebten es Gefangene zu machen; es galt als besondere Ehre eins von den starken Weibern lebend zu fesseln. Zum Hohn wurden sie vor dem Gefängnis mit Stricken geschlagen, um die Gebäude herumgejagt, an einen erhöhten Pfahl mit geschlitzten Röcken und eingepflanztem Rübenkraut gebunden. Regelmäßig endete dieser Vorgang mit einer gewaltsamen echt märkischen Prozedur: mit Ketten hingen die Gefangenen, während ein Feuer lohte, an dem Eisenpfahl in der Mitte des Platzes. Sie setzten sich der Erstickung oder Verbrennung aus, wenn sie sich nicht losrissen. Die Ketten aber endeten nicht an den Händen Füßen Knien Leibern der Gefangenen, sondern gingen in Roßhaare aus, die durch die Zunge Armmuskeln Brustmuskeln gezogen waren. Es war Sache des Mutes oder der Todesangst der Gefangenen sich loszureißen, das Fleisch zu zerreißen. Mit Bewunderung oder Verachtung sahen die Männer dem kämpfenden schreienden zusammenbrechenden oder davonstürzenden, blutig hinrollenden Wesen zu.
Die Apparate in den Gefängnissen wurden weniger. Und als es klar wurde, daß man zu Ende war, fingen die Frauen an, ihr Augenmerk auf Elina zu richten. Die Castel hielt sie immer dicht bei sich, beobachtete sie. Elina hatte sich nie für eine Täuscherin ausgegeben. Die Weiber haßten sie, die Castel mußte sie schützen. Jetzt bestürmte sie Elina; sie sei eine Freundin Marduks, sie solle ihnen beistehen. Elina wich aus; sie sei von Marduk nur eingesperrt worden.
Da fingen die Weiber an sie zu martern. An ein Fensterkreuz banden sie sie, damit die Krieger draußen sie sähen. Die draußen kannten Elina nicht, wußten aber, daß der Konsul sie hergeführt hatte. Sie faßten die Marterung Elinas so auf: die Weiber wollten den Konsul verspotten. Man machte besondere Jagd auf Elina.
Eine Horde hatte sich bei Linden festgesetzt; deren junge Mannschaft setzte sich die Ausräumung des Weibergefängnisses als Ziel. List bei Überfällen gab es nicht mehr. Türen und Fenster waren mit den letzten Apparaten verbarrikadiert; unter den Fenstersimsen lagen die haßgepeitschten Weiber. Es geschah in diesen grausigen Tagen, daß sie unerwartete Hilfe bekamen: Männer aus der Angreiferhorde selbst, fanatische, die im halben Einverständnis mit ihrer Horde sich hatten überwältigen lassen und mörderisch ringend gegen die Angreifer vorgingen. Der Kampf war hier schwer: das lockte sie. Die Angreifer hatten es auf die zarte, allen bekannte, Tag um Tag ans Fensterkreuz gebundene Elina abgesehen. Bei den wütenden Angriffen erlag Weib um Weib; zu Angela Castel und Elina drangen sie nicht vor.
Als noch ein kleiner Haufen Weiber übrig war, erbittert eiskalt schwer erschöpft, kaum imstande die Apparate zu bedienen, kaum stark genug, in der üblen Luft die Leichen der Männer und Frauen fortzutragen, gaben sie zuerst den zugekommenen Männern auf, sich zu entfernen; sie wollten sie nicht mehr. Darauf hieß es mit der Angela Castel und Elina fertig werden. Es war, da die Castel sich weigerte, Elina freizugeben, unzweifelhaft, daß man beide beiseite bringen mußte. Die Castel war täglich auf die stumme Elina eingedrungen; sie sollte zum Konsul, nicht um gegen den Tod zu protestieren, aber gegen die beispiellose Barbarei. Sie hatte nur einmal eine Antwort bekommen. Aus gequälten Augen hatte sie die zarte Person angesehen, ihre Hand genommen: »Er ist kein Mensch; er ist ja selbst ein Tier.« Die vertrocknete kleine Angela gab sie nicht frei.
Als die Führerin das
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