Berge Meere und Giganten (German Edition)
Hordengeschrei aus, lag auf dem erbeuteten unscheinbaren, mit Hebeln Knöpfen Schiebern versehenen Kasten, blitzte durch den Raum. Bisweilen kam es zu Schlachten in größeren Gefängnissen. Die Angreifer mußten sich durch Sprünge aus dem Fenster retten, büßten ihre Kühnheit mit dem Leben. Von außen kam ihnen niemand zu Hilfe.
In solch Gefängnis, im Hordenbereich bei Linden, wurde Angela Castel mit ihren Frauen und einer Anzahl Täuscher verbracht. Die hellbraune Führerin glaubte, Marduk werde sie vernehmen; ganz leise hoffte sie, Marduk werde sich ihrer bedienen gegen Zimbo. Aber er kam nicht. Nur in beschämender Weise wurden ihre Frauen vor Hordenversammlungen gezogen, Selbstmorde fanden statt. Darauf setzten die Überfälle ein, die zuerst in dem Gefängnis niemand verstand, und die Ausrüstung der Gefängnisse mit Nahwaffen. Eine Ermahnung an die Gefangenen kam: sie seien selbst Hüter ihres Lebens, es würde ihnen in Gefahr niemand beistehen. Dann wurde klar: die Horde betrachtete sich in Kriegszustand mit den Gefangenen. Entwürdigungen der Frauen ließen nach; man bewahrte sie für Kämpfe auf. Da begann die Castel mit ihren Frauen sich auf Krieg einzurichten. Nach zwei Wochen galt ihr Gefängnis als unnahbar. Die Castel wußte, daß sie unter der Aufsicht von Fernwaffen stand, aber daß sie vor ihnen unbesorgt sein konnte. Die Frauen im Gefängnis waren von der größten Wachsamkeit, das Gerücht von dieser Festung lief zu entfernten Gruppen. Starke Überfälle wurden auf diese Burg verabredet; viele Männer kamen um; nur List und waffenlose Gewalt war den Männern erlaubt.
Da erschien Marduk, wie Tauwetter eintrat, mit seiner Wache auf dem Platz vor dem Gefängnis am späten Nachmittag, ließ Frauen und Männer heraustreiben. Er fragte nach der Castel. Ging schon, als man sie rief, zwischen dem Haufen hindurch, betrachtete die Menschen, die stumm die Arme hängen ließen oder sich mit einem Gruß verbeugten. Blasse schwächliche und starke Frauen; wilde südliche Gesichter, feine weiße Züge der Menschen aus den alten Herrengeschlechtern, zornige und kalte herausfordernde, weichliche Mienen, Augen, die keine Kenntnis von ihm nahmen. Er kannte sie, die aus den heimlichen Versuchsstätten hergescheucht waren; besser als seine jahrzehntelange Beobachtung hatte der westliche Vorstoß, der Krieg, ihre Hoffnung sie herausgetrieben. Sie konnten ihrem hochmütigen Drang nicht entsagen; es war ihnen recht, daß sie hier standen. Ein Hauptmann ging neben Marduk durch die Schar, die sich überall rasch öffnete und um ihn weit Platz ließ. Sie schienen, wie die Blicke, die sie sich zuwarfen, das rasche Anstoßen mit den Schultern zeigten, Furcht vor einem unvermuteten Angriff zu haben. Aber Marduk ging, während die Castel ihn seitlich erwartete, durch die Schar. »Was willst du?« hob Marduk die pelzbeladenen Schultern, als die Castel sich vor ihn stellte, klein, mit strengem ernsten Ausdruck. »Du hast nach mir gefragt. Ich bin Angela Castel.« Marduk, den ein Windstoß traf, drehte sich um; er ging hustend mit ihr zwei Schritt seitwärts: »Es ist eine Frau ins Lager gekommen, eine Täuscherin wie du, oder doch die Gefährtin eines Täuschers. Sie heißt Elina.« »Ich kenne sie nicht.« »Sie ist wahrscheinlich selbst eine Täuscherin, obwohl sie aus irgendwelchen Gründen behauptet es nicht zu sein. Ich habe Veranlassung sie festzuhalten. Sie kommt in dein Gefängnis.« Dann drehte er sich ihr voll zu: »Im übrigen habe ich gehört, daß ihr euch bei Überfällen gut haltet. Ich möchte dir raten, es nicht zu weit zu treiben.«
Die Castel gab den andern, über die sie Gewalt wie früher hatte, keine Auskunft über das Gespräch mit Marduk. Während sie ins Gefängnis zurückkehrte, mit zusammengepreßten Lippen, war ihr klar, daß Marduk wegen dieser Frau gekommen war und ihm an ihr gelegen war. Sie ballte die Faust. Und als Elina nach einer Stunde eingebracht wurde, erfuhr Angela Castel, daß dies die Gefährtin Jonathans, Marduks Freundes, aus dem Mecklenburgischen sei: So hatte man Jonathan, den leichtsinnigen von allen geliebten, auch entdeckt. Viele weinten an dem Abend im Gefängnis. Elina, bei der Castel sitzend, sah es mit Verwunderung und leiser Freude. »Wir werden Opfer sein. Was kann sich der kleine Marduk gegen die Welt behaupten« weinten sie trotzig. Elina dachte: »Ich könnte nicht über Jonathan weinen, selbst wenn er eingesperrt wäre. Dabei bin ich ihm gut. Was tut Marduk mit
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