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Berge Meere und Giganten (German Edition)

Berge Meere und Giganten (German Edition)

Titel: Berge Meere und Giganten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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nicht das Gesicht schon hätte?« Er schrie; der junge neben ihm im Gras hielt ihm ängstlich den Mund zu. »Ich ginge zu den Kannibalen. Stellte mich auf ihre Seite. Ja. Ich zeigte diesem Stinkvolk, was sie tun müßten. Tu dus doch! Ratzekahl alles! Das sollten sie tun! Schwamm drüber. Ein Volk, ein Pack.« »Still« schmiegte sich Guistiniani an, »nun ist gut. Nun hast du gesprochen. Nun ist alles gesprochen. Du darfst nichts mehr sagen. Nun will ich dir etwas von dem Gras erzählen. Sieh mal, ich bitte dich, sieh her, Carceri, das Moos an der Rinde. Und hier wieder Gras. Es ist ganz hellgrün, du kannst es wohl nicht sehen. Ich will es dir genau beschreiben. Es sind, fühle, ganz lange kurze mittelgroße Halme. Man kann sie zwischen den Fingern ziehen, ja nimm nur, nimm doch nur, ich will dir alles sagen. Zieh sie ganz lang zwischen den Fingern aus, bis zur Spitze, aber nicht daran schneiden, sie haben einen scharfen Rand. So, das ist lauter Grashalm. So sind alle Grashalme. Und weißt du, wo ich sie herhabe, die du eben da hältst? Alle? Ein paar von den Füßen, wo du eben draufgetreten hast, die Afrikaner, die du zuerst zertreten wolltest. Sie sind noch glatt, sie haben sich wieder aufgerichtet, einige sind geknickt, es sind ganz wenige. Und hier die – sind von deinem Kopf: da hast du doch, Carceri, wütend mit dem Kopf gegengedrückt; sie haben eins abbekommen, sind aber noch lebendig. Was glaubst du, sind das Afrikaner? Vielleicht. Aber vor allem: ich bin es auch und du bist es auch, Carceri. Ich geh nicht zu den Farbigen den Kannibalen. Denn warum sollte ich nicht auf das Grashälmchen hören, das unter dem Fuß ruhig weiter wächst. In den alten Liedern, die die Frommen haben, heißt es immer vom Gras, es hätte Ähnlichkeit mit dem Menschen, oder der Mensch mit dem Gras. Und wenn der Wind über sie weht, verschwindet ihre Spur. Ist schon richtig. Aber das Gras ist auch immer wieder da. Was ist mehr: das Weggehen oder das Wiederkommen? Ich halte mich an das Wiederkommen.« Der unten hatte die Arme unter den seitlich gesunkenen Kopf verschränkt. »Und so denkst du, Guistiniani, mit den Bunthemdigen fertig zu werden. Sehen möchte ich dich einmal, wenn die Angst aus dem Gedränge kommt. Sehen werde ich dich einmal.« Carceri kroch auf allen vieren hoch; der andere half, während der mächtige Mann knurrte: »Ihr seid alle nicht viel wert. Was meinst du«, er wankte vorwärts, sprach, die Hand vor dem Mund, »du glaubst, mir machen die Bunthemden angst. Weil sie die Werke haben. Ich habe schon noch abseits für alle Notfälle ein paar kleine Waffen, und Sanudo hat welche; schöne Geräte. Sieht aus wie nichts, und wenn du sie ansiehst, bist du schon nichts. Der beste Spiegel für gewisse Menschen: sie blicken hinein und finden nichts. Wir könnten damit so in der Nacht oder spät abends, wenn das Gedränge groß ist, auf den Senat spazieren. Magistrat sagen sie; sie halten das, glaub ich, für eine nordische Suppe. Wir könnten ihnen eine Einlage in die Suppe machen. Nur den Sanudo und Morosini und unsere anderen lieben Freunde möchte ich von der Suppe nicht ausschließen. Du bist von der Partie? Sag ja. Bist doch von der Art der Grashalme; unvergänglich aber naiv.«
    Sie saßen Meilen weg vom Zentrum Mailands in einem unterirdischen kühlen Haus. Eine Marmorsäule stand auf dem Treppenpodest des gewölbeartigen ganz mit Rankenblumen bewachsenen und behangenen Zimmers. Die Marmorsäule leuchtete mattweiß sonnenartig gelb. Bald leuchteten nur die Augen im Kopf, bald silbern und golden der Schulterschal und die Hände, die ihn hielten. Während alles im Dunkel lag, überlief eine rosa Röte die Brüste; ihre Kugeln versendeten das Licht auf das weiche Kinn, das von unten angestrahlt wurde, auf den schalverhüllten gewölbten Leib, die bloßen im Dämmer tretenden Füße. Der über sich gebeugte tücherbedeckte weißhaarige Sanudo schlug seinen stummen Gästen, die auf bettartigen Lagern ruhten, vor, sich der Waffen zu bedienen, die man hätte, und freies Feld um sich zu machen. »Wir müssen es« stöhnte er, »ich tu es nicht leicht.« Man fragte nach der Art der Waffen, lag wieder dumpf da. Sanudo, gezwungen lächelnd stand auf, während er hinwarf: »Man muß ihnen noch danken, daß sie uns die Zeit dazu lassen«, wankte zur Tür, um durch einen Griff an den Ranken ein leises Weben am Gewölbe herauf zu erregen, fern verschwebendes Kindersingen. Sanudo: »Es sind, wie ich weiß, noch Herren hier, die

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