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Berge Meere und Giganten (German Edition)

Berge Meere und Giganten (German Edition)

Titel: Berge Meere und Giganten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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Ten Keir hatte nichts weniger vor als die Besetzung Londons. Er verlangte mit Einverständnis der belgischen Senate von Delvil eine bestimmte Erklärung über die Maßnahmen, die gegen die drohende Vernichtung der britischen Stadtschaften und zur Säuberung der englischen Inseln getroffen würden.
    London hatte diesen Schritt längst erwartet. Man konnte nicht verhindern, daß geübte Scharen aus Belgien und Holland überführt wurden, die am Bau neuer Fabriken und der Waffenherstellung arbeiteten. Zeit verlief. Delvil war nur fest in dem Entschluß geworden, nicht zu fallen wie White Baker, die in London erschienen war und ihn ermahnt hatte, sein Amt niederzulegen, das Rad des Geschicks nicht aufzuhalten. Sie sahen sich an. Noch immer trug die sehr mager gewordene Frau weiße Stoffe und wollene schwere Schultertücher, wie jene Ratschenila; der knöcherne Krähenschnabel hing an ihrem Hals; sanft, ungewohnt zart sprach sie zu Delvil, dessen Hand sie lange hielt. Er fühlte sich durch Stunden verwirrt und unruhig nach den leise eindringlichen Reden, dem Schweigen der früher so stolzen starken White Baker, die zum Krieg gegen Marduk gerufen hatte. Unter Trauer wurde ihm klar: sie begriff nichts von den Dingen, die auf dem Spiele standen, erinnerte sich nicht mehr. Sie hätte die starken strengen belgischen Menschen und ihre Werke sehen müssen.
    Schon verbreitete sich zu den Massen des englischen Landes im Westen und Norden, was vorging. Sie berührten sich mit den eingeführten Völkern. Die Angst der Siedler. Nur die kriegerischen Gruppen hörten mit Lust, was der Senat bereitete; London wurde reif, wühlte sich sein Grab. Sie sangen Lieder vom Schicksal Hamburgs Hannovers, von dem feinen mißglückten Plan mit Zimbo, der märkischer Konsul geworden war. Brandstifter schlichen zwischen die Häuserreihen. Die fremden Belgier hatten so listige rohe Menschen noch nicht gesehen. Man war in einem lautlosen von Woche zu Woche sich steigernden Krieg.

    DAMALS TRUGEN die friedlichen Schlangen eine Fabel mit sich herum. Es gab ein fernes Land, das unter warmem Himmel mit fruchtbaren Bäumen in tiefster Ruhe lag. Die Menschen glänzten und verblichen wie Sonnenstrahlen. In diesem Land lebte ein großes sanftes Tier. Dicht und schwarz war es von einem Pelz umhüllt. Es lagerte träge, ein Bär, in seiner Höhle. Da drangen Ungetüme mit Wut, Wagen Waffen Geräte hinter sich, in das Land. Mit Keulen und Beilen schlugen die Ungetüme auf das träge sanfte Tier. Sein Fell war so dick, daß es nicht einmal knurrte. Man stieß es und zwickte es mit feurigen Zangen: es zitterte, hob sich auf. Als man die Höhle um den Bären zum Einsturz brachte, machte er sich auf die Wanderung. Schleppte sich davon. An ein brausendes großes Wasser kam er. Da konnten die wütenden Verfolger nicht nach. Das Tier war fast blind, die scharfe Seeluft hatte es geschnuppert, warf sich aufs Wasser, schwamm. Schwamm, bis es Klippen berührte und gegen eine Insel stieß.
    Und wie es in der Schlucht lag, fingen über ihm die Felsen zu wanken an. Blöcke polterten in die Schlucht. Der Bär kroch hoch, kroch herum, duckte sich, wußte nicht was war. Die fremden Ungetüme hatten die Ameisen bestochen den Sand von dem Berg zu schleppen, die Felsen zu untergraben. Ein junges Wiesel schlüpfte zwischen den Trümmern auf, lief dem Bär voraus. Der Bär hielt den zappelnden Schwanz des Tierchens zwischen den Lippen, das Wiesel kroch ans Meer, setzte sich steuernd auf den Rücken des Bären. Der schwamm, schwamm. Bäume sah das Wiesel, eine neue Insel tauchte auf. Sie gruben sich zwischen Schilf in die nasse Ufererde ein. Am Abend dampfte es um sie, die Erde fing an warm zu werden, von Stunde zu Stunde blies heißere Luft herunter. Das Wiesel zuckte, warf sich quiekend um das große schwarze Tier. Das schnappte lechzte stöhnte beengt. Die Ungetüme waren zum Himmel aufgestiegen, hatten sich mit Leitern und Haken der gewaltigen Sonne bemächtigt, sie gezwungen, die Insel zu erhitzen. Die schmolz schon dahin. In einem feurigen Brei lag der Bär. Mit trockenem Rachen, nach Luft beißend, schob er sich hoch. Sein Fell flammte. Er brach die Grube auf. Sprang und rannte. Wo war das Wasser, das Wasser. Das Wiesel lief nicht mit, der Bär hatte es nicht retten können, hatte es selbst von seinem Rücken in die Glut aufgeschleudert. Brüllend trieb er vorwärts, drehte sich, stand auf den Hinterbeinen vor Schmerz. Die Glut hetzte ihn. Der kalte Wind fuhr an. Da war der

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