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Berge Meere und Giganten (German Edition)

Berge Meere und Giganten (German Edition)

Titel: Berge Meere und Giganten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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unermüdlich zu den Dingen, die ihnen Leben gaben und ihr Leben verlängerten. Sie hatten Knie, die sie hintrugen, die sich biegen konnten mit dem Rumpf, dem Nacken, zu Quellen herunter, zum Jagen des Wilds, das ihnen Fleisch geben sollte. Harte Knochen hatten sie aus dem Kalk des Bodens entwickelt, mit denen sie stemmen und ziehen konnten, Gelenke, um sich zusammenzukrümmen, das süße Leben zu verstecken und beschützen. Sie schnalzten sogen an vielen Dingen; die schmeckten ihnen gut, es gab Bitteres, Saures Brennendes. Wie die Zähne ihnen wohl taten, die gerne beißen krachen konnten. Das Zerrissene rutschte den Schlund und Magen herunter, tat ihnen wohl. Und immer neue Dinge lockten die Augen; es bewegte sich alles um sie, war Vogel Baumwipfel Wind Sand. Die Sonne brachte Farben zum Glühen, warf bunte Schatten; man hatte Augen; die Freude des Tages, die Wohltat der Vermählung mit dem Licht. Die Haut war fühlsam; Glieder die sich bewegen ließen, trugen den ganzen Körper; wohin. Wo Kühle war, Wärme, eine Rinde, die sich abtasten ließ, und Menschliches, eine Haut, eine Schulterplatte, eine Schenkelglätte. Mann und Weib zueinander. Dazu hatte man Füße und Knie, konnte gehen, sich nähern. Blicke zueinander, Hände zueinander, Münder zueinander. Und nicht nur Münder. Man hatte einen Leib; das einzige Wühlen. Was man tastete umfing: daß man nicht Wasser war, um mit ihm zusammenzuschmelzen. Daß man sich hielt, diese Beruhigung Besänftigung: dies Stieren und Vergehen im Feuerschein. Daß das Eine Brüste hatte, schweres Haar, weiche Haut, das Andere Härte und Rauhigkeit. Die haarumbuschten schwellenden Glieder der Vermischung: der Überschwang der Süßigkeit, den sie gaben. Fittiche, die in das andere Land trugen. Und das hing über dem Boden, Mensch und Mensch, der Same strömte, verdunkelt lagen sie, in Finsternis, das mütterliche Licht eingeschlossen.
    Auf den Ackerflächen, den Gebirgen, in den Flußebenen, in den Wäldern die Menschen. In das Land zwischen dem kalten atlantischen Wasser und dem südlichen Meer quollen die Grönlandfahrer. Die großen Stadtschaften umgingen sie. Sie sahen Brüssel, das nicht mehr Brüssel war, sondern eine Häuserwüste, in der Ten Keir thronte, die er bewachte. Er war ein Spürhund. Die Grönlandfahrer zerstreuten sich, um ihm zu entgehen. Sie waren nach Norden gestoßen, in einem Verlangen, das Mardukreich zu berühren, von dem niemand mehr etwas wußte. Da kamen beim alten Amiens Männer des alten Ten Keir zu ihnen, die wie ein kleines Volk auf dem Wege nach dem zertrümmerten Valenciennes waren. Die Männer mischten sich unter die Grönlandfahrer, suchten sie zu erforschen. Die blieben verschlossen. Wie sie bei den Ruinen waren, zeigte sich Ten Keir selbst. Er nannte sich bei Namen, prüfte aufmerksam die auffällige Kleidung der Männer und Frauen. Ob sie zu Schiff gefahren wären nach Belgien, da sie Lederkleidung trugen. Er war, einen ganzen Tag zwischen ihnen herumgehend, beunruhigt. Und plötzlich stieß er auf Kylin, den Mann, den alle Senatoren dieser Landschaften kannten. Kylin saß auf einem Wagen, verteilte Brot, das ihnen Siedler gegeben hatten, betrachtete einen Augenblick uninteressiert den Mann, der sich vor ihm aufpflanzte. Jetzt war dem tief erschrockenen Ten Keir der Zug klar. Dies waren Grönlandfahrer, die die Sperre durchbrochen hatten. Aber man hatte die Sperre verfallen lassen. Er rief Kylin bei Namen. Der ließ, den Blick in Keirs Augen versenkend, ein Brot fallen. Ten Keir bückte sich: »Du bist Kylin.« »Ten Keir.« »Ja.« Kylin mit dem langen grauschwarzen Bart nahm das Brot zurück: »Habe keine Furcht vor uns. Oder hast du Furcht.« »Keine Furcht. Ich staune, Kylin. Du bist Kylin.« »Wunderst du dich über meinen Bart? Deine Stadtschaft ist auch nicht jünger geworden.« »Brüssel ist nicht meine Stadtschaft. Du siehst sie nicht. Brüssel ist unter der Erde.« »Ich weiß. Ich habe gehört.« »Warum blickst du immer um dich, Kylin. Hast du selbst Furcht vor mir?« »Es ist schön im Land. Wir wollen weiter ziehen. Ich will dir viel Glück wünschen.« »Wo geht es hin, Kylin.« »Ich weiß nicht.« »Sag mir doch.« »Nach Norden. Nach Osten. Leb wohl. Ten Keir.«
    Der unruhige Kylin war gleich aufgebrochen. Ten Keir beobachtete ihren Zug; seine Abgesandten waren an dem Weg, an dem. Der Belgier verheimlichte vor dem Senate seiner Stadtschaft seine Begegnung; besänftigte sich nicht: was ist mit den Grönlandfahrern, was

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