Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Berge Meere und Giganten (German Edition)

Berge Meere und Giganten (German Edition)

Titel: Berge Meere und Giganten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
Vom Netzwerk:
gestohlen; die Wieschinska riß sie ihm ab. Einen Augenblick zuckte in der kleinen Gruppe der fremdartige Geschlechtshaß auf; der Wieschinska schien es, als wollte Uru sie verhöhnen; die Männer blähten sich heimlich über die Niederlage der Frau. Nach zehn sachlichen Worten war der Strom abgelenkt. Sie brauchten nicht durch Heraklopolis wandern, um zu wissen, daß unberührt gefeiert vergöttert die schaffenden Apparate stehen bleiben mußten. Unberührt gefeiert vergöttert ihr Blut.
    Die lohenden Standarten nahmen sie auf.
    Wie Bogumil Leuchtmar, Wieschinska aus Heraklopolis, Azagga, Uru und Dongod Dulu über die norddeutsche Tiefebene flogen – Landschaft neben Landschaft ausgegossen, murrende gärende Menschenmasse getrieben zwischen Häuserreihen, unkenntliche Beobachtungs- und Bewachungsposten zwischen ihnen – da fühlten die Massen noch nicht ihr Schicksal. Wie Menschen, die feindlich in der Liebe aneinander gekettet sind, zusammengeflochten, um sich zu zerreißen zu quälen zu beißen, so umwanderten sie kopfsenkend noch die verborgenen geschützten Orte der Apparate, angriffsbereit liebesbereit umschlingensbereit. Den fliegenden Regenten war nichts unsicher. Die Standarten mit den Gestirnen und dem Feuer wehten vor ihren Apparaten.
    Sie trafen nicht in London ein, wohin sie geladen waren. In Brüssel hielten sie. Leuchtmar war es, der die Fahrt hemmte. Er war es, der plötzlich die Fahne noch bevor er landete, scheinbar unabsichtlich einzog zerriß, in Fetzen fallen ließ. Die anderen waren schon in Brüssel, da schwamm er noch, gehemmt unschlüssig in der Luft, umkreiste die Stadt bis an die Nordsee, fuhr an, zurück, als müßte er sich durch ein Gestrüpp Bahn brechen. Wie auf schwellendem Moor fuhr er, ratlos. Und ratlos, – als hätten sie sich verabredet, begegneten sie sich – hielt bei Dünkirchen Rallignon. Auf dem Boden der Konferenz, die vor vier Jahrhunderten nach dem Fall Mailands den Herrengeschlechtern die unbedingte Macht in den Staaten und Städten gegeben hatte, wanderten sie nebeneinander, sahen sich nicht an. Denn auch Rallignon dachte an Krieg.
    In ihm war der Kriegsgedanke berauschend aufgegangen. Aus den Apparaten wie aus Wein war er zu ihm aufgestiegen. Niemand sollte ihnen widerstehen. Man wollte sie haben, ihnen Preis singen, der Welt offenbaren. An die Grenzen des Wirklichen und Möglichen sollten sie, über das Erdenkbare hinaus mußten sie fahren. Man wollte die Waffen die Kräfte nicht gegen sich, sondern um sich führen. Rallignon durchfühlte es lüstern angstvoll wie Leuchtmar. Es mußte Staat gegen Staat gehen. Welcher Staat gegen welchen Staat? Darum sahen sich Leuchtmar und Rallignon nicht an. Ein Belgier holte sie von Brüssel ein. Verstört wie sie. Diese Gedanken gingen wie Gespenster um. Wer an die Apparate rührte, jetzt, in diesem Augenblick, wurde von ihnen getroffen.
    Im Wagen fuhren sie zu dritt auf Brüssel. Bogumil brusteingesunken im Wagen stöhnend höhnend: es sei sinnlos nach Brüssel zu fahren: er werde umkehren; sie müßten bedenken, was sie vorhätten. Der sehnige Rallignon neben ihm war flekkig rot, verändert. Furchtsam blickte er rechts und links zum Wagen hinaus: es sei nicht ungefährlich für sie auf dem Land zu fahren; man werde sie erkennen; wenn man sie erkannte. Er glaubte schon, man wüßte, was er in sich trug; drückte sich in die dunkle Ecke des leichten flotten Gefährts, zog die Mütze über sich: man werde sie erwürgen. Leuchtmar zu ihm gedreht: »Warum denn? Was haben wir getan?« Aber er faßte schon nach seiner Brust, erblich: »Ich habe keine Waffen.« Der Flame saß mit offenem Mund, drängte auszusteigen. Als der Wagen in einer Schonung hielt, hatte sich der schwere Leuchtmar über seine Knie nach vorn gelegt; nach den Händen Rallignons tastete er: »Rallignon, mein Freund. Mein Freund. Nicht mein Feind. Sag ja.« »Ich kann nichts sagen, Bogumil. Komm. Was soll werden.« Leuchtmar faßte sich mit den Händen an die Schläfe: »Mag sich Europa selbst zerstören. Wir wollen nichts tun. Wir wollen es nicht tun. Wir wollen uns nicht dazu hergeben.« Rallignon war herausgesprungen. Leuchtmar ging hinter ihnen; er hielt wie die beiden andern die Augen niedergeschlagen, konnte die Häuser Felder nicht sehen, stöhnte. Flüsterte hinter den beiden: »Nichts davon sprechen. Ich behalt es bei mir. Ich gebe nichts von mir. Man soll mich nicht dazu bekommen.« Einzeln gingen sie in Häuser, kleideten sich um. Verkleidet kamen sie

Weitere Kostenlose Bücher