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Berge Meere und Giganten (German Edition)

Berge Meere und Giganten (German Edition)

Titel: Berge Meere und Giganten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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London statt. Als in Bombay Lhassa Peking Tokio Kasan Tobolsk die nach London entsandte Kommission erschien, war man für alles gerüstet. In den westlichen Kapitalen war die Bewaffnung der Asiaten bekannt; man glaubte sich voraus. Es gab schließlich keine Bedenken. Man mußte losbrechen.
    Die Apparate hatten sich in den vergangenen Jahrhunderten völlig verändert. Aus Maschinen, in Hallen durcheinander gestreut, waren Maschinenblöcke Maschinenhäuser Kolosse Pyramiden von Anordnung, Maschinenorganismen geworden. Große Menschenmassen der Periode nach Dünkirchen bis zur Zeit der Rebellen Targuniasch und Zuklati hatten sie auftürmen und bedienen müssen. Die Energiewirtschaft hatte zur Verkuppelung der Kraftwerke untereinander geführt. Der Aktionsradius für die erzeugten und transformierten Energien war ins Riesige gewachsen. Die Energien wurden an wenigen Punkten gespeichert. Neben den Krafterzeugungsblock traten die Kolosse der Sondermaschinen, für einzelne Landstriche arbeitend, im ganzen Land waren keine vereinzelten Maschinen. Dies war – gegen Ende des fünfundzwanzigsten demokratischen Jahrhunderts – die Zeit, wo die Sonderung unter den Stadtlandschaften sich unwiderstehlich durchsetzte, Glasstädte Lichtstädte Nahrungsstädte Kleidungsstädte entstanden. In den Versuchsstädten und abseits von den Sonderstädten begannen sich die Erfindungen zu häufen. Da stürzten in wenigen Jahrzehnten Blöcke und Pyramiden der Maschinen zusammen. Neue Naturkräfte, gasförmige strahlende, schon vor einem Jahrhundert aufgespürt, waren von den Zeitgenossen Mekis gefaßt, in Apparate gespannt worden. Die polternden Kolosse wurden durch Liliputapparate beschämt. Jahrzehnte Jahrhunderte von Kraft wurden wehrlos, gelähmt von dem Blick dieser Minuten. Man legte die großen Maschinenstädte nieder. Unscheinbar in geschützten Gewölben die feinen zierlichen Apparate, in denen die Naturkräfte gefangen waren wie Gespenster in der Flasche. Wenige Hände brauchten sie zu bedienen. Das Herz stand den ersten Menschen still, als sie die Apparate sahen. Gewöhnten sich an sie, lebten unter ihrer Obhut, bequem, kaum dankbar, Kinder einer reichen Familie.
    Diese wunderbaren streng behüteten Apparate, die Kraft der westlichen Herrengeschlechter, waren im Besitz des Abendlandes wie der Asiaten.
    Im Westen flog ein Rausch über die wimmelnden Menschenmassen, als man ihnen Kenntnis gab von den Dingen, die sich vorbereiteten. Schlagartig sank die tiefe zweifelnde Unruhe hin. Als hätte man einem schlaffen Körper Äther und Kampfer eingespritzt.
    Die Asiaten riefen ihre Völker auf. Zeigten die Macht der Weißen. »Sie kommen mit Maschinen. Sollen wir uns wehren? Unterwerfen?« Man kannte die Antwort voraus. Die Inder wußten, wie man Elefanten zähmt, Flüsse überschreitet, betet; die Chinesen, wie man Felder bestellt, Schiffe zieht, handelt; die sibirischen Steppenvölker konnten melken jagen. Sie dachten, ihren Zauber gegen die Europäer aufzubieten. Da fuhren Luftschiffe von Süden und Osten her über ihnen und alle fuhren nach Norden und Westen. Wie sich die Schiffe, bei deren Anblick ihr Herz erstarrte, tiefer senkten, winkten ihnen Inder Chinesen zu, die Blüte ihrer Länder, feine junge Männer, die lachten: »Wir fahren ihnen entgegen nach Westen und Norden.« Die Sibirier grinsten. Die Mongolen kollerten ihr Lachen, hoben ihre Kinder hoch. Millionen Zauberformeln gingen hinter den Kämpfern.
    Es war ein Kampf, der von London mit tiefer Apathie begonnen wurde. Wechselnd zwischen Verzweiflung und Resignation stimmte London dem Beginn des Krieges zu. Es gab keinen anderen Weg. Man konnte zusehen, was sich bei dem Ringen entwickeln würde. Vielleicht half man sich über Jahrzehnte weg, vielleicht ließ sich noch ein Jahrhundert plänkeln. Sie hatten begrüßt, daß man unerhörte Erfindungen unterdrückte und sich selbst behauptende Stadtschaften schuf. Aber sie sahen das Aussichtslose dieser Versuche. Die Maschine war nicht aufzuhalten, das westliche Gehirn nicht umzustellen. Als Leuchtmar Rallignon und ihre kontinentalen Freunde in London erschienen, staunten die Engländer, strichen ihre schwarzen dünnen Bärte. Diese waren unbelehrbar, Kinder. Sie freuten sich an ihnen. Die Männer und diese wilde kraftvolle Wieschinska wollten Krieg, einen Krieg für ihre Massen. Die alten Herrengeschlechter waren doch klüger. Sie hätten in diesem Augenblick alle Waffen und Apparate eingezogen, deren sie habhaft werden konnten;

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