Berge Meere und Giganten (German Edition)
packen. Die Ältere hielt sie zurück. »Ich will dein Gift nicht nehmen, Weib.« Marke stellte das Glas vor sich auf den Tisch, fuhr mit dem Gürtel wagerecht hin und her, schlug es vom Tisch herunter. »Ich will keine Luft mit euch. Es war nicht nötig, daß ihr in mein Haus kamt, wenn ihr nicht auf mich hört. Hier ist meine Luft. Ihr müßt weg. Alle. Tötet euch.«
Die Megaphone dröhnten über die Straßen. Marke schrie, an sein Fenster tretend: »Worauf wartet ihr. Ihr müßt weg. Weg müßt ihr, sag ich euch.« Er gehörte nicht zu den Herrschenden, Leuchtmar, der in Hamburg getötete, hatte ihn nie gesehen. Die Menschen unten liefen ängstlich voneinander, verstanden nicht, was er wollte.
Jourdane blieb in der Nacht am Bett Markes, der wenig schlief. Sie glaubte, er sei von einem Gift des Krieges getroffen. Während sie sich über die Stuhllehne zu ihm bückte, schwoll ein Grauen von ihm auf sie über. Eine Weile saß sie noch, dann konnte sie nicht widerstehen. Mußte den Kopf heben, die Arme auf die Stuhllehne stützen, die Füße aufdrücken, aufstehen, gehen. Den Mann im Bett sah sie nicht mehr. Sie ging zur Tür. Nahm Markes dünnen Stahlgürtel ab, band ihn um einen Riegel, steckte, einen Stuhl besteigend, den Stuhl mit Freude unter sich wegstoßend, den Kopf in die Schlinge. Der Kopf mußte in die Schlinge gesteckt werden. Sie empfand, wie sie die Füße gegen den wankenden Stuhl stieß, eine tiefrieselnde Lust über den Leib die Knie und die Arme. Zum dargebotenen Hals, der sich an die kühle anschnellende Schlinge legte, rann die schreckliche Lust herauf.
Der Mann, im Fall des Stuhls zuckend, sah sie hängen. Er wollte vom Bett hin um sie zu retten, aber seine Beine kamen nicht auf. Seine Arme, die nach der Bettkante griffen, knickten krampften zusammen. Er hielt den Kopf in der Richtung auf die Hängende. Lauschte nach ihr. Langsam vermochte er zu schlucken, tönend die Luft durch Mund Nase einzuziehen, zu schnarchen, zu stöhnen.
Sein lautes wildes immer wilderes Stöhnen, – er saß gebunden auf der Bettkante, den Kopf starr nach der Hängenden, – rief die Tochter, die im Nebenraum schlief, herbei. Sie sah nicht, warum er keuchte lallte. Verfolgte seinen Blick. Schwankend, hoch die Luft aufziehend, hinsinkend, sich hinschleifend war sie an der Tür. Stürzte mit der abgehobenen Schwester vom Stuhl, über sie her. Marke im Hemd auf der Bettkante. Seine nackten Füße vibrierten auf dem Teppich. Weinend warf sich die Tochter, als Jourdane leblos dalag, an ihn, umschlang seinen Rumpf. Und während ihr verzerrtes Gesicht von Tränen überflossen wurde, blickte sie nach oben, zu dem Gesicht des Vaters. Der war stürmisch durchzuckt. In seinen Beinen Armen, dem Rücken krampften die Zuckungen Jourdanes nach, während sie hing. Immer schnellten seine Beine an, wollten sich seine Knie krümmen, die Füße stoßen. Er drückte sich fest, fester.
Das Aufwühlen seiner Muskeln bezwang er. Sein wieder erstarrender drohender verlangender Ausdruck gegen Janina. Die ließ ihn los. Ihr Entsetzen Abscheu vor diesem Wesen. Auf die Schwester lief sie, löste ihr den Gürtel vom Hals, hielt ihn, kniend, über die Schwester wegblickend, in der geballten Faust gedrückt, wie eine Peitsche, mit der sie auf den Mann losgehen wollte. Und stand, den Gürtel pressend in der Rechten, um den stummen Mann, den lippenbeißenden, der hörbar durch das Zimmer atmete, auf das Bett zurückzuwerfen, ihm anzutun, was sie konnte. Das Scheusal, das die junge süße Erhängte getrieben hatte. Da fühlte sie seine Augen. Er saß noch immer auf dem Bett. Sein Ausdruck so wechselnd: bald zitternd zerfließend, bald starr und unerbittlich befehlend, bald schmerzgespannt. Die Fäuste hatte er sich zum bloßen Hals erhoben, sie krallten in die Haut. Er war von der Verzweiflung verschluckt, verstrudelt, geschlagen an jedem Glied. Vor ihm kniete sie einen Moment. Horchte, sah zu ihm auf. Berührte seine Hände. Sein Ausdruck wurde drängender. Sie stand, getrieben, Muskel und Spannung, vor der Schwester, die auf dem Teppich lag, das Gesicht mit dem offenen Mund nach oben, die Knie an den Leib gezogen. Der Gürtel fiel Janina aus der weißen Hand; sie hatte die Hände wie die Tote geöffnet. Was saß hinter ihrem Rücken auf dem Bett. Der Stuhl. Sie zog ihn her. Der dünne Gürtel. Der Riegel. Verschließen des Gesichts. Der Stuhl polterte. Sie sollte erst, Janina, nach langen Stunden in der Helle des Vormittags neben Jourdane liegen,
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