Bergisch Samba
entfernt. Der Geruch von modrigem Laub stieg mir in die Nase. Jutta musste neben mir sein. Sie stöhnte leise.
»Was ist?«, rief ich. »Hast du dir wehgetan?«
Sie sagte nichts. Ich tastete dorthin, wo ich sie vermutete. Die Dunkelheit war undurchdringlich. Ich fasste Juttas Hand. Sie war glitschig; schweißnass vermutete ich.
»Komm, wir kriechen da rüber.«
»Ich … kann … nicht…«, keuchte Jutta.
»Versuch es.«
»Ist… okay.«
Gemeinsam näherten wir uns der Schonung. Es ging enervierend langsam. Kaum waren wir zwei, drei Meter in die dichte Bepflan-zung eingedrungen, stöhnte Jutta wieder. »Kann … nicht… mehr«, brachte sie hervor.
»Was ist denn mit dir?«
Wir hatten zwar die Deckung erreicht, aber das genügte nicht. Hier würden sie uns jeden Moment finden.
»Ausruhen …«, murmelte Jutta, und plötzlich verstand ich, was los war.
»Was hast du?«, flüsterte ich und wunderte mich, wie hoch und belegt meine Stimme klang.
Jutta antwortete nicht. Weiße Flecken erschienen vor meinen Augen. Die Schatten der Bäume, die suchenden Lichter drüben außerhalb der Schonung - alles schien sich um mich zu drehen. Ich biss die Zähne zusammen und tastete hektisch nach dem Rucksack.
Ich brauchte schrecklich lange, um die Schnalle und den Knoten des inneren Haltebands zu öffnen und die Taschenlampe zu finden.
Jutta stöhnte wieder auf. Endlich hatte ich das Ding in der Hand, zögerte aber, es einzuschalten. Im Wald war es jetzt verdächtig still. Der geringste Lichtschein würde die Dückraths herlocken.
Ich deckte die Lampe mit der Hand ab und drückte den Knopf. Nur zwei Atemzüge lang beleuchtete ich Jutta, und was ich sah, versetzte mir einen Schock. Ihre gesamte rechte Körperhälfte war voller Blut, ihr rechtes Bein, das Hemd - ein einziger schwarz glänzender Fleck. Im Schein der Lampe sah Juttas Gesicht schneeweiß aus; ihre Augen waren angstvoll aufgerissen. Als ich die Lampe wieder ausschaltete, blieb das schreckliche Bild in meinem Gehirn haften - und dort ist es bis zum heutigen Tag.
Außerhalb der Lichtung raschelte etwas; es kam näher. Ich hörte unterdrückte Stimmen.
»Wir müssen hier weg«, flüsterte ich Jutta zu. Ich hatte keine Ahnung, ob sie mich hören konnte. Ich kroch hinter sie, packte sie unter den Armen und zog sie rückwärts durch den Wald, nur weg von den beiden Mördern, die jeden Moment ihre Lampen anschalten und uns ins Visier nehmen konnten.
Ich weiß nicht, wie lange ich Jutta durch das Unterholz schleifte. Ich weiß nur noch, dass ich irgendwann einen heftigen Schmerz in den Armen spürte und viele Male das Gefühl hatte, keinen Millimeter mehr weiterzukönnen. Und irgendwann schaffte ich es auch nicht mehr. Ich blieb einfach liegen, atmete die eiskalte Nachtluft ein, die von einem fauligen Geruch begleitet wurde. Ich bemerkte plötzlich, dass ich am ganzen Körper zitterte, als hätte ich Schüttelfrost.
Wärme! Jutta brauchte Wärme!
Ich musste ihr meinen Pullover anziehen. Oder sollte ich die Wunde abbinden? Verdammt, vielleicht war es dafür schon zu spät! Ich richtete mich auf, tastete nach Jutta. Ihr Gesicht war eisig kalt.
»Jutta«, zischte ich. »Kannst du mich hören?«
Sie antwortete nicht, und plötzlich wurde der Geruch stärker.
Wo war die Taschenlampe?
Ein Schreck durchzuckte mich, als ich dachte, ich hätte sie verloren, doch dann fiel mir ein, dass ich sie in meinen Hosenbund gesteckt hatte.
Ich zog sie hervor und lauschte. Irgendwo raschelte etwas. War es der Wind? Ein Tier? Nein - da waren auch Stimmen! Die Dückraths unterhielten sich. Und der Hund jaulte wieder.
Was tun?
Die Polizei rufen. Klar.
Oder besser einen Krankenwagen.
Wie?
Handy!
Erst nach Jutta sehen!
Ich machte Licht, wieder mit der Hand als Schutz vor dem Lichtkegel. Jutta hatte die Augen geschlossen, sie lag friedlich wie im Schlaf. Ein aberwitziger Vergleich fiel mir ein, als ich sie so mitten in den Ästen und auf dem Boden liegen sah. Schneewittchen.
Die Nässe auf ihren Kleidern glänzte. Ich konnte nicht erkennen, ob sie immer noch blutete.
Ich wollte die Lampe gerade wieder ausschalten, da bemerkte ich keine drei Meter entfernt etwas Merkwürdiges. Etwas Dunkles lag da, schwarz und vertrocknet wie ein alter, verrotteter Baumstamm. Ein abstehender Ast war eigenartig geformt - er erinnerte entfernt an einen Stiefel oder einen Schuh.
Direkt daneben wurde das Holzstück sehr dünn und ging dann in eine dunkle Masse über. Ich leuchtete weiter
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