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Bergisch Samba

Bergisch Samba

Titel: Bergisch Samba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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hinüber. Der ekelhafte Geruch war jetzt viel stärker. Und dann traf die Taschenlampe auf das Grinsen eines Totenkopfs.
    Was danach passierte, habe ich nur noch so in Erinnerung, wie man sich an einen Alptraum erinnert, der einen vor Jahren heimgesucht hat. Mitten in meinem Schreck löschte ich das Licht, und ich werde wohl noch einmal nach den Dückraths gelauscht haben, bevor ich nach dem Handy suchte.
    Was ich dem Mann, der sich nach meinem Notruf meldete, vorstammelte, weiß ich nicht mehr. Ich kann mich aber noch genau daran erinnern, wie mir von dem Moment an die Nacht wie die längste meines Lebens vorkam.
    Ich versuchte verzweifelt herauszufinden, ob Jutta noch atmete. Wenn ich mein Ohr über ihr Gesicht hielt, war mir, als käme von ihr ein leises Keuchen. Dann wieder glaubte ich, mir das nur einzubilden und versuchte mich damit abzufinden, dass sie tot war. Es gelang mir aber nicht, auch nur einen Millimeter weiterzudenken. Ich wollte es einfach nicht wahrhaben. Es konnte nicht sein.     
    Alles wird gut, murmelte ich vor mich hin. Alles wird gut. Und dann meldete sich wieder die andere Seite in meinem Kopf, die mir klarmachte, dass ich mir das nur einredete. Finde dich damit ab, es ist vorbei. Und dann wieder: »Alles wird gut. Alles wird gut.«
    Und das ging so, bis sich ganz von Ferne ein Martinshorn näherte und hinter den Bäumen, erschreckend weit von uns entfernt, ein Blaulicht durch den Wald geisterte.
    Am schlimmsten war der Moment, in dem ich Jutta allein lassen musste, um aus der Schonung zu kriechen. Alles in mir wehrte sich dagegen, aber es musste sein. Die Sanitäter konnten uns nicht von allein finden, und das Furchtbarste wäre gewesen, wenn sie wieder unverrichteter Dinge fortgefahren wären.
    Ich packte die Lampe, lief in geduckter Haltung zurück - dorthin, wo die niedrigen Büsche zu Ende waren. Erst hier schaltete ich das Licht an. Sollten die Dückraths jetzt auf mich schießen, wenn sie unbedingt wollten! Ich schickte den Kegel in alle Richtungen, aber nirgends war jemand zu sehen. Ich lief hinunter zum Weg. Dort kam langsam ein Rettungswagen heraufgefahren. Das Martinshorn war abgeschaltet, das blaue Licht kreiste durch den Wald.
    Ich wies den Rettungshelfern den Weg zu Jutta. Als wir wieder an der Stelle angekommen waren, hatte ich das Gefühl, gleich ohnmächtig zu werden.
    Irgendwann hatten sie Jutta auf einer Trage zum Wagen geschafft - begleitet von irgendwelchen Infusionsschläuchen. Sie ist also nicht tot, sagte ich mir immer wieder. Sie ist also nicht tot … Und einer von den Männern in diesen orangeweißen Anzügen sprach mit mir. »… müssen die Polizei rufen«, verstand ich nur, und wahrscheinlich nickte ich. Dann fand ich mich im hell beleuchteten Transportraum des fahrenden Wagens wieder.
    Ich musste bei Jutta bleiben, durfte sie nicht allein lassen. Ohne mich würde sie sterben, da war ich ganz sicher.
    Später saß ich auf einem Flur des Gummersbacher Krankenhauses, Juttas Rucksack in der Hand. Eine Schwester kam und sagte etwas von Notoperation. Als ich fragte, ob Jutta durchkäme, sagte sie nur leise: »Der Arzt wird mit Ihnen nach der OP sprechen. Beruhigen Sie sich.« Aber ich wusste nicht, wie ich das tun sollte - allein in diesem Flur mit Neonbeleuchtung, in der Hand ein Becher mit Automatenkaffee. Etwas später kam die Schwester wieder und gab mir ein paar Sachen, die sie in Juttas Jeanstasche gefunden hatten: ein Schlüssel und eine kleine Aluminiumdose. Reizgas. Damit hatte Jutta wahrscheinlich den Hund außer Gefecht gesetzt.
    Ich saß da und starrte vor mich hin. Es musste schon ziemlich spät in der Nacht gewesen sein, als ich hörte, wie sich Schritte näherten.
    Ich blickte auf und sah zwei Polizisten in Uniform, die auf mich zukamen.
    Zu diesem Zeitpunkt hatte ich das, was da ganz in unserer Nähe in der Schonung gelegen und einen immer stärker werdenden Gestank verbreitet hatte, längst wieder vergessen.

14. Kapitel
    Das Telefonklingeln ließ mich hochschrecken.
    Ich lag in meinem Bett, verschwitzt und dreckig. Das Erlebnis der vergangenen Nacht hatte einen Schmerz in mir hinterlassen, der sich dumpf ausbreitete, noch bevor die schrecklichen Bilder selbst zurückkamen.
    Es klingelte weiter, und ich tastete mich hinüber zum Büro. Der Morgen war angebrochen, aber es war noch nicht richtig hell.
    »Krüger hier«, sagte eine Stimme am Telefon.
    In meinem Kopf hämmerte es. Ich sah auf die Uhr: zwanzig vor acht. Ich versuchte, etwas zu sagen,

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