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Bergrichters Erdenwallen

Bergrichters Erdenwallen

Titel: Bergrichters Erdenwallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Achleitner
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ischt schon so! Heute nachmittag 1/2-2 Uhr fällt der letzte Sonnenstrahl auf unser Klösterl. Wir müssen daher von Frau Sonne auf lange Zeit Abschied nehmen!“
    „Ach so! Ich glaubte schon —“
    „Auch deine Stunde wird schlagen! Aber für uns ischt es heute ein Abschiedsfest. Die Sonne wird uns nun durch volle 87 Tage meiden, weil sie über die hohen Berge nicht mehr zu uns herein kann. Wir müssen es daher wie die alten Spartaner machen und im Schatten kämpfen. Wird am 22. Februar gut Wetter sein, so bekommen wir an diesem Tage wieder den ersten Sonnenstrahl im neuen Jahre.“
    Betrübt ließ Frater Marian den Kopf sinken.
    „Mußt nicht mutlos werden, Bruder! Es sind die schlimmsten Tage nicht, die sonnenlos vergehen und grau in grau verrinnen! Fehlt uns das helle Licht, thut uns die Dunkelheit nicht so weh. Unsere Pflicht ischt es, zu dulden; wir müssen wie die Bergbauern in der Einöde das gemeinsame Geschick tragen, gottergeben und gefügig. Nicht jeder kann im sonnigen Süden leben, der auch nicht alle Wonne in sich schließt. Und wir Franziskaner sind nicht zu einem wonnevollen Leben bestimmt. Aber zum Sonnenabschiedstag wollen wir einen Schluck Wein nehmen. Hol ein Flaschele, Marian!“
    Eben will sich der Bruder entfernen und die Flasche Wein holen, da gellt die Pfortenglocke durch das Klösterl.
    „Ei der Tausend! Wer mag wohl so stürmisch läuten? Sieh' nach, Marian!“
    Schlürfenden Trittes begiebt sich der Frater zur Pforte und läßt einen Bergbauernbuben ein, der dringend nach dem Einödpater verlangt. Ambros kam selbst herbei, zu sehen, was es an der Pforte gebe, und so konnte er gleich hören, was der Bube will.
    „Ich bin der Bub' vom Zacher am Joch! 'm Vaterle hat ein Baumstamm beim Schlittelen 'druckt und er laßt bitten um die baldige Wegzehrung! 'leicht geath's schiech.“
    „Gleich, Zacher! Hast etwan Hunger?“
    „Ich dank'! Ein Trum Brot und ein Eichtel Speck hab' ich schon 'gessen! Schlaun dich, Pater, es wird gleich wieder wahen (schneetreiben) und aftn find' ich neammer z'ruck im Schnee!“
    Pater Ambros hieß den Buben sich in der Pförtnerstube wärmen und machte sich zum Versehgang auf das Joch bereit. Hurtig wird der Habit hochgeschürzt, denn es wird schwer steigen heißen, dann bekommt der Zachenbub' des Paters Bergstock, das Glöcklein und die Laterne zu tragen, indes Ambros ins Kirchlein eilt, um die Bursa mit der hl. Wegzehrung zu holen.
    Still und stetig begann es zu schneien aus dem nun grauverhängten Firmament.
    Pater Ambros mit dem voranschreitenden, das Glöcklein schwingenden Zacherbuben verläßt das Klösterl. Nur im nächsten am Sträßlein liegenden Gehöft ist der rasche Aufbruch zum winterlichen Speisgang beobachtet worden, und die Inwohner knieen nun im Schnee und bekreuzigen sich.
    Leise betend schreitet der Priester an den frommen Leuten vorüber, die dann im Klösterl fragen, wem der Speisgang gelte.
    Der arme Zacher am Joch! Und der arme Pater, der durch den Schnee hinauf muß zur Höhe!
    Vor dem Jochberg angekommen, bleibt der Zachenbub' erschrocken stehen. Alles verweht! Die halbe Stunde hat genügt, seine eigene Spur, die er beim Abwärtssteigen getreten, völlig zu verdecken. Und jetzt wirbelt das weiße Geflock so dicht herunter, daß man kaum auf zehn Schritte voraus sehen kann.
    Auch Pater Ambros hält inne, er sucht mit den Augen die Anstiegsrichtung. Die Bursa in der linken Hand haltend, stochert er mit dem Bergstock in der rechten nach festem Grund. Wohl über zwei Meter tiefer Schnee und weich dazu, ohne Harst. Dazu bläst der Bergwind aus dem Klammloch wild und kalt und jagt Flugschnee den Wanderern entgegen. Ein böses Steigen, aber es muß gewagt werden. Verlangt ja ein Sterbender nach dem letzten Trost der Religion! Der alte Priester steigt an, er will voraus Schneetreten, auf daß der schwache Bub leichter hinterdrein steigen kann. Langsam geht es aufwärts, immer wieder sinkt der Pater bis an die Hüften im Schnee ein und es bedarf langer Zeit, bis Ambros sich wieder herauszuarbeiten vermag. Einige Schritte weiter beginnt dieselbe Mühe wieder und wieder. Der Einödpater erkennt, daß er die Hände völlig frei haben muß; er versorgt die Bursa auf seiner Brust unter dem Habit, zieht das Cingulum fester, und mit einem Gebet auf den Lippen klimmt er mit Hilfe des Steckens schrittweise durch den immer tiefer werdenden Schnee aufwärts. Eine Stunde vergeht, und kaum eine Viertelstunde Weges ist zurückgelegt. Dafür wütet jetzt

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