Bericht vom Leben nach dem Tode
sich in Bewegung, genauso wie der Ouija-Indikator sich bewegt hatte, und schrieb. Am Abend erzählte sie es ihrem Mann und zeigte ihm das Geschriebene.
Nun war Whites Interesse geweckt. Er assistierte seiner Frau, indem er während der nächsten automatischen Schreibvorgänge die vollbeschriebenen Blätter wegnahm und durch neue ersetzte, sich Notizen machte und ihr zwischendurch, wenn sie ermattete, gut zuredete. Betty war sich nicht im geringsten bewußt, was sie schrieb. Die Wörter kamen zuerst ganz langsam: Interpunktion, Absätze und Großbuchstaben fehlten, alles war ohne Trennung aneinandergereiht. Die Geschwindigkeit beschleunigte sich von Mal zu Mal. Der Diktierende oder Schreiber, wer auch immer es sein mochte, flößte White tiefen Respekt ein; nie war das Geschriebene sinnlos oder albern. Die zu Beginn angekündigte Absicht war, Bettys Bewußtsein für den Empfang und die Weitergabe wichtiger Informationen zu präparieren.
Fast sechs Monate nach Beginn des automatischen Schreibens informierte der Schreiber die Whites, daß er bald aufhören würde. Das geschah dann auch. Und nun, da der Text anscheinend vollständig war, mußte er irgendwie ausgewertet werden. White wußte, daß der Inhalt aus Bettys eigenem Unterbewußtsein gekommen, daß er aber ebensogut das Werk eines fremden Wesens sein konnte. Fest stand: Auf eine unbekannte Weise zapfte Betty eine normalerweise nicht zugängliche Wahrnehmungsquelle an. Die Beschäftigung mit dem so erlangten Material lohnte sich, wo immer es herstammen mochte.
Auf einer Geschäftsreise las White das Buch Our Unseen Guest, das von hochinteressanten Trance-Experimenten handelte. Betty und er beschlossen, die darin beschriebene Kommunikationsmethode zu versuchen. Betty fiel schnell in Trance. Sie entglitt in eine Art befreites oder doppeltes Bewußtsein. Aus diesem Zustand heraus berichtete sie über verschiedene Erfahrungen. Ihre Sprechweise war anfangs stockend und stotternd, die Sätze blieben fragmentarisch, als ob sie große Schwierigkeiten mit der Formulierung hätte, was wahrscheinlich darauf zurückzuführen war, daß sie gleichzeitig zwei Bewußtseinszustände auf einen Nenner zu bringen hatte. Der normale, von dem aus sie sprach, war der untergeordnete, während sie die eigentliche Wahrnehmung in einem tieferen Bewußtseinszustand machte.
»Wir kamen äußerst langsam voran«, teilt White mit. »Wenige kurze Sätze erforderten manchmal eine ganze Stunde. Doch wie schon beim Schreiben wurde auch hier die Geduld belohnt. Bettys Bericht aus dem ›tieferen Bewußtsein‹ wurde schließlich so flüssig, daß ich, obwohl ich ein flotter Stenograph bin, manchmal Mühe hatte, mitzukommen.«
Nach anderthalb Jahren hatte White vierhundert maschinengeschriebene Blätter mit Aufzeichnungen über die Tranceberichte seiner Frau gesammelt. Beide waren inzwischen völlig davon überzeugt, daß sie es mit klar denkenden, zielbewußten außerirdischen Intelligenzen zu tun hatten und von diesen zur Arbeit an einem wichtigen Projekt herangezogen worden waren. Die Whites nannten ihre Partner »Die Unsichtbaren«. Offenbar beabsichtigten diese Wesen mit Hilfe von Mrs. White einen Leitfaden für das Jenseits zu erstellen, der die im Diesseits Lebenden auf ihr Reiseziel und ihren Aufenthalt nach dem Tode vorbereiten sollte. White veröffentlichte diese Übermittlungen als Buch unter dem Titel The Betty Book? 32
Auf ihre Fragen nach der Art von Welt, in der die Unsichtbaren lebten, hatten die Whites zunächst eine Abfuhr erfahren: »Um unsere Welt verstehen zu können, fehlen Ihnen noch die nötigen verstandesmäßigen Voraussetzungen.« Trotz dieses Dämpfers machte Betty schon während der »Probereisen« ihres tieferen Bewußtseinszentrums in diese andere Dimension einige Beobachtungen. Einmal bemerkte sie, daß es ein »viel größerer, angenehmer Ort« sei, ein andermal, daß sie genauso behandelt wurde wie im Diesseits ein neugeborenes Baby. Inzwischen machte der Erwerb der »nötigen verstandesmäßigen Voraussetzungen« Fortschritte.
Die Tragödie des materialistischen Zeitalters wurde folgendermaßen umrissen: »Die Welt schämt sich des Geistes. Sie kasteit ihn genauso wie die alten Asketen den Körper kasteiten… Akzeptiert die natürlichen menschlichen Instinkte und allen Lebensgenuß, aber laßt sie von der Lebenskraft des Geistes durchdrungen sein!« Fortschritt bedeutet Aktion: »Bloße intellektuelle Erkenntnis einer Wahrheit ist ohne Bedeutung…
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