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Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt

Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt

Titel: Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Kempe
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Staaten, de Gaulle doch noch für die eigenen Positionen zu gewinnen, zu denen auch Kennedys persönliche Briefe gehörten, verhärtete sich die Einstellung des französischen Staatspräsidenten nur noch weiter. 22 Am 14. Oktober hatte Kennedy de Gaulle informiert, dass er mit Moskau einen »Durchbruch« erzielt habe. Chruschtschow habe sich nämlich bereiterklärt, über Berlin direkt mit den Westalliierten zu verhandeln und ihnen nicht zuzumuten, sich mit der DDR auseinanderzusetzen. Kennedy schrieb, er hoffe, Mitte November ein Treffen der alliierten Außenminister organisieren zu können, um sich auf die neuen Berlin-Verhandlungen mit Moskau vorzubereiten. Der US-Präsident versicherte de Gaulle: »Wir haben nicht die Absicht, aus Berlin abzuziehen. Auch werden wir in keiner Verhandlung auf unsere Rechte verzichten. « Er sei jedoch der Ansicht, dass die Verbündeten keine diplomatischen Bemühungen scheuen sollten, um in Berlin einer »großen, dramatischen Krise« vorzubeugen. Er wolle jedoch auch, dass sich die Alliierten auf klare Ziele einigten und »vor der ultimativen Konfrontation« militärische Vorbereitungen träfen.
    De Gaulle spottete über Kennedys Behauptung, dass Chruschtschow bezüglich der DDR irgendwelche Konzessionen gemacht habe. Außerdem hielt er Kennedys Kriegsangst für völlig unbegründet. »Chruschtschow macht nicht den Eindruck, als ob der Kreml wirklich bereit sei loszuschlagen. Ein Raubtier auf dem Sprung wartet nicht lange ab.«
    Nach diesem Vorspiel wusste Botschafter Gavin, dass ihm an diesem 23. Oktober ein schwieriges Treffen bevorstehen würde. Kennedy hatte ihn für den Job in Paris ausgewählt, weil er einer der wenigen verfügbaren Männer war, die de Gaulle wegen ihrer militärischen Verdienste respektierte. Im Zweiten Weltkrieg war er der jüngste Generalmajor gewesen, der eine Division befehligte. Seine Männer hatten ihn »Jumping Jim« getauft, weil er bereit war, mit seinen Fallschirmjägern auch in Kampfsituationen abzuspringen. 23
    Trotzdem behandelte de Gaulle ihn heute mit seiner charakteristischen
Herablassung. Er teilte ihm mit, er werde zwar nichts gegen Kennedys Novembertreffen der Alliierten unternehmen, aber Franzosen würden daran keinesfalls teilnehmen. 24
    Gavin fragte dann de Gaulle, ob er es nicht doch für besser hielte, teilzunehmen und in einer gemeinsamen alliierten Front »unsere Absicht klarzumachen, zu Kampfhandlungen zu greifen«, wenn die Sowjets ihren gegenwärtigen Kurs beibehielten.
    De Gaulle antwortete, die Sowjets hätten seiner Meinung nach zwei Optionen und keine von diesen erfordere irgendwelche Verhandlungen: Entweder die Sowjets wollten keinen weltweiten Krieg oder gar Nuklearkrieg, wovon er ausgehe, dann gebe es keine Eile, mit ihnen zu sprechen; oder sie wollten einen Krieg. In diesem Fall sollten die Alliierten jedoch erst recht Gespräche verweigern, da sie sonst »unter direkter Bedrohung verhandeln würden«.
    »Man kann mit Leuten keine tragfähigen Abkommen schließen, die einen bedrohen«, meinte de Gaulle. Um diesen Punkt endgültig klarzulegen, führte er noch einmal aus, dass die Alliierten nicht mit den Sowjets verhandeln könnten, »nachdem diese uns mit der Atombombe gedroht, in Berlin eine Mauer gebaut, ständig mit dem Säbel gerasselt und mit der Unterzeichnung eines Friedensvertrags mit der DDR gedroht haben, ohne zu versprechen, uns den Zugang nach Berlin zu garantieren«. Sein Rezept dagegen lautete: »Wenn sie Gewalt anwenden, werden wir dasselbe tun und schauen, was dann passiert. Jede andere Haltung würde nicht nur Deutschland, sondern uns alle teuer zu stehen kommen.«
    Wie seine Vorgänger im Weißen Haus verlor Kennedy allmählich die Geduld mit de Gaulle, der nur allzu bereit war, das Leben von Amerikanern in einer Auseinandersetzung über Berlin zu riskieren. Kennedys Frustrationen waren nur zu verständlich. Er musste sich mit den unberechenbaren Sowjets, unkooperativen Verbündeten und jetzt zudem mit einem pensionierten General in Berlin herumschlagen, der nach seinen ganz eigenen Regeln spielte und sich nun auch noch in die Diplomatie einmischte.

    HAUPTQUARTIER DER US ARMY, CLAYALLEE, WESTBERLIN
DIENSTAG, 24. OKTOBER 1961
    Von dem Erfolg seiner Militäreskorten ermutigt, entschied sich Clay, es sei nun an der Zeit, Washington darüber zu belehren, wie man eine Verhandlungsinitiative mit militärischem Muskelspiel begleiten könnte. Er fasste seine diesbezüglichen Überlegungen in einem Telegramm

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