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Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt

Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt

Titel: Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Kempe
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    Nach einem flüchtigen Händedruck kehrte Grewe in seine Botschaft zurück, um von dort Adenauer ein weiteres grimmiges Telegramm zu schicken.
    US-AUSSENMINISTERIUM, WASHINGTON, D.C.
DIENSTAGNACHMITTAG, 24. OKTOBER 1961
    Außenminister Rusk war leicht irritiert, dass General Clay ihm unerbetene Ratschläge erteilte, wie man die diplomatischen Beziehungen zu Moskau gestalten sollte, um danach einseitig Einsatzentscheidungen an der Berliner Grenze zu treffen, die mit diesen Vorschlägen zusammenhingen. Im Auftrag
von Rusk rief der Leiter der Berlin-Task-Force, Foy Kohler, um 21 Uhr deutscher Zeit Allan Lightner an, um ihn für das Außenministerium zurückzugewinnen und ihn General Clays Einfluss zu entziehen.
    In seinem Gespräch mit Lightner sprach sich Kohler gegen Clays Ratschlag aus, dass man den sich entwickelnden Grenzkonflikt bei Verhandlungen mit Moskau als Druckmittel einsetzen sollte. Darüber hinaus erinnerte er den in die Defensive gedrängten Lightner daran, das er Rusk und nicht Clay unterstand. In seinem anschließend verfassten Memorandum für Rusk, in dem er über sein Gespräch mit Lightner berichtete, klagte Kohler: »Die Unterhaltung bestand fast die ganze Zeit aus Ausflüchten.« 29
    Lightner versicherte Kohler, dass seine Rolle in der Grenzübertrittsaffäre vor zwei Tagen »völlig unerwartet und ziemlich peinlich« gewesen sei. In seinem ganzen Diplomatenleben hatte er noch nie derart viel Aufmerksamkeit der Medien auf sich gezogen. Sie reichte von den höhnischen Unterstellungen der kommunistischen Presse, dass er die Grenze überschritten habe, um sich mit seiner Geliebten zu treffen, bis zum überschwänglichen Lob in den Westberliner Zeitungen, dass der oberste Amerikaner in Berlin endlich einmal Rückgrat gezeigt habe.
    Kohler scherzte, dass Lightners Name in den USA »über Nacht zu einem Begriff« geworden sei, was im öffentlichkeitsscheuen Außenministerium nicht gerade ein Kompliment war. Viel mehr ärgerte Kohler jedoch, dass Clay die demonstrativen Grenzübertritte ohne Washingtons Erlaubnis wieder eingestellt habe. Kohler nannte das »einen schweren taktischen Fehler«. Er war der Ansicht, dass das letztendliche Erscheinen des sowjetischen Offiziers am 22. Oktober für die Vereinigten Staaten äußerst nützlich gewesen sei. Es habe nämlich bewiesen, dass es weiterhin die Sowjets und nicht die Ostdeutschen waren, die den freien US-Zugang nach Ostberlin garantierten.
    Lightner entschuldigte sich bei seinem Vorgesetzten, dass er in der Frage, ob man die Militäreskorten stoppen sollte, »von einer höheren Autorität«, nämlich Clay, überstimmt worden sei. Gleichzeitig wollte er wissen, was Rusk von Clays Vorschlag halte, den sowjetischen Botschafter einzubestellen, um ihn darüber zu informieren, dass die Vereinigten Staaten jede Verhandlung mit der Sowjetunion verweigern würden, bis die DDR ihre erweiterten Grenzkontrollen wieder abgeschafft hätte.
    Kohler meinte, man denke über Clays Vorschlag nach. Allerdings spielten bei der Entscheidung, wann und wie man mit der Sowjetunion verhandeln würde, auch noch viele andere Faktoren eine Rolle.

    Bild 47
    25. Oktober: Der Showdown beginnt. Drei Jeeps mit amerikanischen Militärpolizisten eskortieren am Grenzübergang an der Friedrichstraße ein amerikanisches Fahrzeug nach Ostberlin.
    Rusk wolle, dass Clay seine demonstrativen Grenzübertritte »mit sowohl bewaffneten als auch unbewaffneten Eskorten für US-Fahrzeuge« wieder aufnehme, wenn die DDR weiterhin Amerikanern das Recht auf freie Durchfahrt verweigerte.
    Damit hatte General Clay die ganz klare Anweisung, seine Eskorten wieder einzusetzen. Der kleine Klaps auf die Hand war jedoch ebenfalls unverkennbar. Rusk wollte, dass er sich aus dem diplomatischen Spiel zwischen den USA und der Sowjetunion heraushielt, da ihn dieses nichts anging. Aus welchem Grund auch immer, unterstützten Clays Vorgesetzte seinen forscheren Kurs, lehnten es jedoch ab, ihn mit einer ebenso forschen Diplomatie zu verknüpfen.
    Das Ergebnis konnte nur unglücklich ausfallen.

    CHECKPOINT CHARLIE, WESTBERLIN
FREITAGNACHMITTAG, 27. OKTOBER 1961
    Den Oberstleutnant der US Army Vern Pike trieben zwei Sorgen um, als er zu den gegnerischen Panzerkanonen hinüberschaute, seinen grünen Armeehelm zurechtrückte, auf dessen Vorderseite die dicken weißen Buchstaben »MP« prangten, und dann noch einmal sicherstellte, dass sein M-14-Gewehr durchgeladen und entsichert und das Bajonett korrekt

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