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Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt

Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt

Titel: Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Kempe
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dass ich nicht hierhergekommen bin, um Ihre Probleme zu vergrößern, und dass ich gern, wenn nötig, auf meinen Posten hier verzichte. Ich möchte, dass Sie wissen, dass ich es nie dulden würde, in diesen kritischen Zeiten zu einer umstrittenen Person gemacht zu werden. Wenn Sie entscheiden sollten oder ich Ihnen mitteilen müsste, dass ich hier nicht mehr von Nutzen bin, würde ich mich nur in einer Art und Weise zurückziehen, die Ihre Zustimmung fände. Auf keinen Fall würde ich die Probleme hier vergrößern.«
    Darauf folgten die Grußzeilen und die Unterschrift:
    »Hochachtungsvoll,
    Immer der Ihre,
    Lucius D. Clay
    General a.D.
    US-Armee«
    PARIS
MONTAG, 23. OKTOBER 1961
    Auf Anweisung Kennedys hatte der US-Botschafter in Paris, General James M. Gavin, ein Treffen mit Charles de Gaulle vereinbart, um auf den Brief des französischen Präsidenten zu antworten, den Kennedy zwei Tage früher mit beträchtlicher Irritation gelesen hatte.
    In einer Zeit, in der Kennedy gern eine gemeinsame Front aller Verbündeten gesehen hätte, die seinen Wunsch teilten, Moskau zu neuen Berlin-Gesprächen zu bewegen, war de Gaulle zu seinem unbequemsten Alliierten geworden, der jetzt auch mehr und mehr Bundeskanzler Adenauer zu sich herüberzog. 19 De Gaulle hatte sich sogar geweigert, an den vorbereitenden Besprechungen zwischen den USA, Großbritannien und der Bundesrepublik über die Möglichkeiten
neuer Verhandlungen mit den Sowjets teilzunehmen. Kein gutes Zureden und kein Umwerben schienen ihn von seiner Verweigerungshaltung abbringen zu können.
    De Gaulle hatte die Gespräche zwischen Rusk und Gromyko missbilligt, die seines Erachtens viel zu früh nach der Grenzabriegelung stattgefunden hatten. Er meinte, sie hätten den Eindruck erweckt, dass die Vereinigten Staaten Berlins dauerhafte Teilung akzeptieren würden und bereit seien, mit Moskau über eine Anerkennung dieses Status zu reden. Außerdem hegte er die Besorgnis, dass Kennedy sich sogar bereiterklären könnte, über die weitere Mitgliedschaft der Bundesrepublik Deutschland im NATO-Bündnis zu verhandeln. 20 Für den französischen Staatschef würde jedes Gespräch mit Chruschtschow nur mit weiteren Konzessionen enden, die das politische Gleichgewicht in Europa negativ verändern würden. Außerdem würde es »in den Ländern unseres Bündnisses, vor allem in Deutschland, zu einer nur schwer einzugrenzenden psychologischen Demoralisierung führen und könnte die Sowjets zu weitergehenden Schritten ermutigen«.
    In seinem Brief hatte de Gaulle auf die väterliche Wärme verzichtet, die er während Kennedys Paris-Besuch unmittelbar vor dem Wiener Gipfel noch gezeigt hatte. Seine Sprache war klar und hart: »Herr Präsident, mehr denn je bin ich heute der Ansicht, dass man folgenden politischen Kurs wählen sollte: Man sollte sich davor hüten, über die Änderung des Status quo in Berlin und der gegenwärtigen Situation in Deutschland nachzudenken. Demzufolge sollte man auch nicht darüber verhandeln, solange die Sowjets nicht von einseitigen Aktionen absehen und mit ihren Drohungen aufhören.«
    So harsch dieser Brief auch sein mochte, passte er doch gut zu dem konfrontativen Ton, den sich de Gaulle nach dem 13. August gegenüber Kennedy angewöhnt hatte. 21 Erst zwei Wochen vorher hatte Kennedy den französischen Präsidenten gebeten, ihm dabei zu helfen, die Dritte Welt gegen den Kommunismus zu beeinflussen. Außerdem hatte er Frankreich um Unterstützung ersucht bei seinen Bemühungen, Moskau zu neuen Berlin-Verhandlungen zu bewegen.
    De Gaulle lehnte Kennedys Bitte um Hilfe in der Dritten Welt rundweg ab. Er meinte, den Entwicklungsländern fehle eben die Last der Verantwortung, die der Westen zu tragen habe. »In den meisten Fällen haben sie sich bereits entschieden, und Sie wissen, in welche Richtung diese Entscheidung geht.« Danach machte de Gaulle auch keinen Hehl aus seiner Ablehnung neuer Verhandlungen mit den Sowjets. Als Gründe nannte er »die Drohungen, die
sie gegen uns ausstoßen, und ihre ständigen Verstöße gegen die Abmachungen, die wir mit ihnen haben«.
    Der französische Präsident warnte Kennedy, dass Verhandlungen so kurz nach dem Mauerbau von den Sowjets als »Zeichen unserer Kapitulation« betrachtet werden würden, was für die NATO ein schwerer Schlag wäre. Chruschtschow würde die Gespräche nur dazu nutzen, um den Druck auf die Berliner zu erhöhen.
    Trotz der zwei Monate langen diplomatischen Bemühungen der Vereinigten

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