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Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt

Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt

Titel: Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Kempe
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außenpolitischen Beratern bewusst sei.
    Der General schrieb mit der Selbstsicherheit eines Mannes, der wusste, dass er durch dieselbe direkte Kommunikation mit einem Präsidenten schon einmal Geschichte geschrieben hatte. »Wenn wir richtig und prompt reagieren sollen«, schrieb er, »muss der örtliche Kommandant im Ernstfall die Vollmacht haben, mit meinem Rat und meiner Zustimmung sofort im ganzen Umfang der Autorität zu handeln, die Sie unseren Militärkommandos in Europa zugewiesen haben.«
    Clay wollte also, dass Kennedy den Berliner Stadtkommandanten General Watson von den Zwängen befreite, die ihm General Clarke in Heidelberg und General Norstad in Paris auferlegt hatten. Er erkannte zwar an, dass die Vereinigten Staaten die Lage in Berlin nicht militärisch ändern könnten, fügte jedoch hinzu: »Wir können Berlin verlieren, wenn wir nicht ein gewisses Risiko eingehen und auch einmal Gewalt anwenden. […] Wir könnten ganz leicht in einen Krieg hineingedrängt werden, wenn wir es nicht vor Ort klarmachen, dass wir den Gefahrenpunkt erreicht haben.«
    Clay verteidigte dann die Aktionen, die er bisher unternommen hatte, von denen er wusste, dass sich Kennedys Berater gegen sie ausgesprochen hatten. Dazu gehörten vor allem die Befreiung der Flüchtlinge aus Steinstücken und die
Militärpatrouillen auf der Autobahn. Er bestand jedoch darauf: »Diese wenigen, ganz einfachen Aktionen von unserer Seite haben die Spannungen hier vermindert und in Westberlin das Vertrauen in uns gefestigt.« Er versuchte, dem Präsidenten klarzumachen, dass die Vereinigten Staaten ihr Recht auf freie Durchfahrt am Checkpoint Charlie unbedingt verteidigen müssten, und zwar nicht um ihrer selbst willen, sondern weil die Westberliner ganz genau hinschauten. Aus diesem Grund schicke er »jeden Tag so viele Fahrzeuge durch wie möglich«.
    Obwohl ihn der US-Präsident nicht dazu aufgefordert hatte, legte er Kennedy einen militärischen Einsatzplan für den Fall sowjetischer Blockademaßnahmen vor, wie er es bereits für Truman nach dem sowjetischen Embargo getan hatte: »Wenn wir auf der Autobahn [nach Berlin] angehalten werden, müssen wir meiner Meinung nach schnell und von Berlin aus eine kleine Militäreinheit vorschicken, um die Entschlossenheit und die tieferen Absichten [des Feindes] herauszufinden. Wenn unsere Erkundungseinheit von stärkeren feindlichen Kräften angehalten und zum Rückzug gezwungen wird, sollten wir sofort eine Luftbrücke einrichten und gleichzeitig und öffentlich zu wirtschaftlichen Sanktionen und einer Blockade greifen im Versuch, die Sowjets zum Handeln zu zwingen. Wenn man diese Schritte in einem Zug ergreift, wird es in Westberlin keine Panik geben. Wir könnten Ihnen dadurch die Zeit verschaffen, in aller Ruhe und nach reiflicher Überlegung die ultimative Entscheidung zu treffen.«
    Wenn Clay von der »ultimativen Entscheidung« sprach, würde Kennedy ganz genau wissen, dass er damit den Nuklearkrieg meinte. Clay schrieb kühl: »Sollte unsere Erkundungsmission mit der Tötung oder Gefangennahme der daran beteiligten Kräfte enden, ist es natürlich offensichtlich, dass die sowjetische Regierung Krieg will.«
    Gegen Ende versprach Clay, künftig kürzere Briefe zu schreiben. Er betonte, dass er sich geehrt fühle, Kennedy als Mann vor Ort in Berlin dienen zu können, fügte aber hinzu: »Mir ist jedoch bewusst, dass keiner so richtig weiß, was das bedeutet.« Er warnte Kennedy, dass, »wenn es mir nicht gelingen sollte, in dieser Eigenschaft hier positiv und entschlossen zu handeln, dies als Ihre Absicht angesehen werden wird … Ich glaube nicht, dass Sie mich hergeschickt haben, damit ich hier in einem Vakuum lebe, und ich weiß, dass ich hier nicht wirklich von Nutzen bin, wenn man es für richtig hält, in Berlin äußerst vorsichtig aufzutreten« (Hervorhebung des Autors).
    Direkt danach bot der General seinen Rücktritt an. 18 In seiner aktiven Militärzeit
genoss Clay den Ruf, hin und wieder mit seinem Rücktritt zu drohen. In fast allen Fällen hatte das seinen Zweck erfüllt. Clay hatte herausgefunden, dass ein Rücktrittsgesuch manchmal der einzige Weg war, um die Aufmerksamkeit seiner Vorgesetzten auf sich zu lenken.
    Ab jetzt wog Clay jedes Wort ab. Er wollte die Loyalität eines Soldaten gegenüber seinem Oberbefehlshaber wahren, gleichzeitig aber die Frage stellen, wie und ob er diesem unter den gegebenen Umständen weiterhin effektiv dienen könne. »Ich sollte noch hinzufügen,

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