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Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt

Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt

Titel: Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Kempe
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Grunde
genommen nur zur Festigung der revolutionären Macht, da sich das Volk noch einmal aus eigener Anschauung davon überzeugen konnte, dass Fidel Castro die Lage seines Volkes verbessern will«, sagte Chruschtschow. »Castro ist doch kein Kommunist. Aber durch Ihre Taten können Sie ihm einen solchen Schulungsunterricht erteilen, dass er letzten Endes wirklich Kommunist wird.«
    Mit Blick auf seine eigene Erfahrung sagte Chruschtschow, er sei nicht als Kommunist auf die Welt gekommen. »Die Kapitalisten haben mich zu einem Kommunisten gemacht.« Chruschtschow schnaubte verächtlich über Kennedys Anmerkung, dass Kuba die amerikanische Sicherheit gefährden könne. Ob sechs Millionen Menschen wirklich eine Gefahr für die mächtigen Vereinigten Staaten sein könnten, fragte sich der sowjetische Parteichef.
    Chruschtschow forderte Kennedy auf, ihm zu erklären, was für einen globalen Präzedenzfall er unter Umständen schuf, wenn er argumentierte, dass die USA im Fall Kubas nach Belieben schalten und walten konnten. Hieß das etwa, dass es der UdSSR freistehe, sich in die inneren Angelegenheiten der Türkei und des Irans einzumischen, die mit den Vereinigten Staaten verbündet waren und amerikanische Stützpunkte und Raketen hatten? Mit der Invasion in der Schweinebucht hätten die USA, so Chruschtschow, »einen gefährlichen Präzedenzfall geschaffen; Sie beweisen im Grunde genommen, dass, wenn Ihre Nachbarländer eine Politik verfolgen, die sich von der Ihrigen unterscheidet, Sie diese Länder überfallen können. Aber wenn man diese These anerkennt, was sollen wir dann mit solchen Ländern machen wie Iran oder der Türkei, die mit Ihnen durch Militärverträge verbunden sind, die direkt gegen uns gerichtet sind? Aber diese Länder sind doch ebenso viel schwächer als wir, wie Kuba schwächer ist als die USA. Wenn die Großmächte sich das Recht anmaßen werden, sich nur deshalb in die inneren Angelegenheiten anderer Länder einzumischen, weil ihnen die in diesen Ländern betriebene Politik nicht gefällt, so wird das große Gefahren in sich bergen, und hier werden, um mit Ihren Worten zu sprechen, Rechenfehler nicht ausgeschlossen sein.«
    Chruschtschow hielt an dem gefürchteten Begriff fest, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen.
    Indem er Kennedy das Wort im Mund verdrehte, stimmte Chruschtschow zu, dass beide Seiten vereinbaren sollten, »Rechenfehler auszuschließen«. Aus diesem Grund sei er auch froh über die Erklärung des Präsidenten, dass er »in Kuba einen Rechenfehler begangen« habe.
    Kennedy versuchte einmal mehr, den brummenden Bär zu besänftigen. Er pflichtete Chruschtschows Einschätzung des Irans bei, dass, falls es nicht gelinge,
die Lage der Bevölkerung zu verbessern, »in der Regierung dieses Landes Veränderungen vorgenommen werden«. Nachdem sein Gegenüber ihn in Bezug auf Kuba, die Türkei und den Iran herausgefordert hatte, spürte Kennedy das Bedürfnis, darauf zu reagieren. Er betonte, dass er kein Sympathisant von Batista gewesen sei, aber jetzt fürchte, dass Castro Kuba zu einer Basis für Unruhen in der Region umwandeln werde. Es stimme zwar, dass die Vereinigten Staaten militärische Einrichtungen in der Türkei und im Iran hätten, sagte Kennedy, aber diese beiden Länder »stellen für Sie natürlich keine Bedrohung dar, obwohl es dort unsere Stützpunkte gibt, ebenso wie Kuba von sich aus keine Bedrohung für die USA darstellt«.
    Als amerikanische Regierungsvertreter ein paar Tage später die Transkription der Gespräche zwischen den beiden Staatschefs lasen, waren sie einmal mehr entsetzt über die folgende Äußerung. Mit Blick auf Kuba fragte sich Kennedy, wie Chruschtschow wohl reagieren würde, wenn sich in Polen eine Regierung etablieren würde, die dem Westen freundlich gesinnt sei. »Die Hauptsache besteht also darin, dass sämtliche Veränderungen, die sich auf der Welt ereignen und das Kräftegleichgewicht beeinflussen, auf eine Weise erfolgen, die nicht dem Ansehen der vertraglichen Verpflichtungen unserer beiden Länder schadet.« Kennedy wollte damit andeuten, dass Polen wegen der Verpflichtungen im Rahmen des Warschauer Pakts für amerikanische Interventionen tabu war.
    Kein US-Präsident hatte jemals gegenüber einem sowjetischen Gesprächspartner die Teilung Europas so eindeutig als akzeptabel und dauerhaft bezeichnet. Um dieses scheinbare Zugeständnis auszugleichen, fügte Kennedy hinzu, dass seiner Meinung nach die Tage für Staatschefs im

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