Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)
»Is ja Quatsch.« »Weil ich dreckige Hosen habe? Weeste Emmi, det is von ein Pferd, det war in den Schacht gefallen von der Untergrund. Nee, bei mir ist nichts zu machen mit acht Groschen, ich brauch vielleicht dausend Mark.« »Und die kriegste?«
Die lauert ihn an. »Hab sie nicht, sag ich bloß, aber ich – krieg sie, und keine acht Groschen.« Sie hängt sich schwer an ihn, staunt und ist beglückt.
Amerikanische Schnellbügelanstalt, offenes Schaufenster, zwei dampfende Plättbretter, im Hintergrund mehrere weniger amerikanische Männer, sitzend und rauchend, vorn in Hemdsärmeln der junge schwarze Schneider. Franz läßt seinen Blick drüber gehn. Er jauchzt: »Emmi, kleene Emmi, det ick dir heute gefunden habe, ist doch zu schön.« Sie versteht den Mann noch nicht, aber ist mächtig geschmeichelt; eiweih kann sich der andere, der sie sitzengelassen hat, ärgern. »Emmi, süße Emmi, kuck dir bloß den Laden an.« »Na, viel verdient der nicht bei, beim Bügeln.« »Wer?« »Der kleene Schwarze.« »Nee, der nicht, aber die andern.« »Die da? Das kannste nicht wissen. Ich kenn die nicht.« Franz jauchzt? »Ich hab die ooch noch nicht gesehen, aber ich kenn die. Kuck sie dir an. Und den Herrn Besitzer; vorn bügelt er, und hinten – macht er was anderes.« »Absteige?« »Vielleicht ooch, nee, det sind ja alles Gannofen. Wem gehören denn die Anzüge, die da hängen? Möchte bloß en Bulle mit der Blechmarke sein und den fragen, paß uff, wie die lange Beine machen.« »Wat!« »Geklaute Sachen, bloß abgestellt! Schnellbügelanstalt! Feine Jungs, wat! Wie die qualmen! Machen sich das Leben bequem.«
Sie spazieren weiter. »Mußte ooch so machen, Emmi, wie die. Is das einzig Wahre. Bloß nicht arbeiten. Schlag dir das ausm Kopp mitm Arbeiten. Vons Arbeiten kriegst du Schwielen an die Hände, aber keen Geld. Höchstens noch ein Loch in Kopf. Vons Arbeiten is noch keen Mensch reich geworden, sag ich dir. Nur vom Schwindeln. Siehste ja.«
»Und wat machst du denn?« Sie ist voller Hoffnung. »Komm mal weiter, Emmi; ich sag dirs schon.« Sie sind wieder mitten im Gewühl der Rosenthalerstraße, ziehen durch die Sophienstraße in die Münzstraße ein. Franz geht. Die Trompeten blasen neben ihm einen Marsch. Es ist die Schlacht geschlagen wohl auf dem freien Feld, rätätätä, ratätäta, rätätätä, wir haben die Stadt gewonnen und das ganze viele schwere Geld genommen, geklommen, ratätätä, tätäta tätä!
Sie lachen zu zweit. Das Mädel, das er aufgefischt hat, hat Kaliber. Sie heißt zwar bloß Emmi, aber Fürsorge und Ehescheidung hat sie hinter sich. Sie sind beide in großartiger Verfassung. Emmi fragt: »Wo haste denn den andern Arm.« »Der liegt zu Haus bei meine Braut, die wollt mich nicht weglassen, da hab ich ihr den Arm als Pfand lassen müssen.« »Na hoffentlich ist der ooch so lustig wie du.« »Na ob. Haste noch nicht gehört: ich hab ein Geschäft mit meinem Arm uffgemacht, da steht der Arm auf einem Tisch und schwört den ganzen Tag: Nur wer arbeitet, soll essen. Wer nicht arbeitet, soll Hunger leiden. Das schwört mein Arm den ganzen Tag, Eintritt ein Groschen, und die Proleten kommen an und freuen sich drüber.« Sie hält sich den Bauch, er lacht auch: »Du reißt mir noch den andern Arm aus, Mensch.«
Ein anderer Mensch kriegt auch
einen anderen Kopf
Da ist durch die Stadt ein merkwürdiger kleiner Wagen gefahren: Auf einem Fahrgestell ein Gelähmter, der hebelt sich mit den Armen vorwärts. An dem Wägelchen sind eine Masse bunte Wimpel, und die Schönhauser Allee fährt er lang, alle Ecken hält er, die Leute sammeln sich um ihn, dann verkauft sein Gehilfe Postkarten für zehn Pfennig:
»Weltreisender! Johann Kirbach, geboren 20.Februar 1874 zu München-Gladbach, bis zum Ausbruch des Weltkrieges gesund und schaffensfreudig, wurde meinem arbeitsreichen Streben durch einen rechtsseitigen Schlaganfall ein Ziel gesetzt. Jedoch erholte ich mich wieder so weit, daß ich allein stundenweit gehen konnte, um meinen Beruf auszuführen. Dadurch wurde meine Familie vor der größten Not geschützt. Im November 1924 jauchzte die ganze rheinische Bevölkerung, als die Staatsbahn von der drückenden belgischen Besatzung befreit wurde. Viele deutsche Brüder hatten sich vor Freude einen Rausch angetrunken, was für mich das Verhängnis wurde. Ich befand mich an dem Tage auf dem Heimwege, als keine 300 Meter von meiner Wohnung entfernt ich von einem aus der Wirtschaft kommenden Trupp
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