Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)
keene Politik. Det is nischt fürn Abend.« Der Grüne meckert und zieht sich aus der Situation: »Mit son Quatsch. Da ist mir det Wetter viel zu schön.« Willie hetzt ihn raus: »Dann geh uff die Straße. Du gloobst, Kerl, die Politik is bloß hier in die Stube und ick mach sie dir vielleicht vor. Die brauch mir grade zum Vormachen. Die kotzt dir auf den Kopf, Junge, wo du gehst. Wenns dir gefallen läßt, heißt es.« Einer schreit: »Schwamm drüber, halte Schnauze.«
Zwei neue Gäste kommen. Das Mädel wippt niedlich, schlängelt sich an der Wand lang, wackelt mit dem Steiß, etscht süß zu Willi herüber. Er springt auf, tanzt mit ihr einen frechen Wackelschieber, sie knutschen sich, Zehnminutenbrenner, festgemauert in der Erden steht die Form aus Mehl gebrannt. Keiner kuckt her. Franz, der Einarmige, fängt an seinen dritten Becher hinunterzugießen, er streicht seinen Schulterstumpf. Der Stumpf brennt, brennt, brennt. Verfluchter Junge, dieser Willi, verfluchter Junge, verfluchter Junge. Die Kerls schleppen den Tisch raus, schmeißen den Strohsack zum Fenster raus, einer ist mit ner Ziehharmonika angezogen, der sitzt aufm Schemel an der Tür, nudelt. Mein Johannes, ach der kann es, mein Johannes ist der Inbegriff des Mannes.
Sie scherbeln lustig, haben die Jacken ausgezogen, saufen, quatschen, schwitzen. Wenn es keiner kann, dann kann mein Mann Johann es. Da steht Franz Biberkopf auf, zahlt und sagt zu sich: Ick bin nicht mehr jung genug dazu, um zu schwofen, ick habe ooch keine Lust dazu, ick muß zu Geld kommen. Wo icks herkriege, ist mir egal.
Mütze auf und raus.
Zwei sitzen mittags in der Rosenthalerstraße, löffeln Erbssuppe, einer hat die B. Z. neben sich, lacht: »Entsetzliche Familientragödie in Westdeutschland.« »Wieso, wat ist da zu lachen.« »Hör mal weiter zu. Ein Vater wirft seine drei Kinder ins Wasser. Drei auf einmal. Ein rabijater Kerl.« »Wo is det?« »Hamm, Westfalen. Det is ein Aufwaschen. Mensch, dem muß es bis da gewesen sein. Aber auf den kann man sich verlassen. Wart mal, wollen mal sehen, wat er mit der Frau gemacht hat. Die wird er doch ooch –. Nee, die hat es alleen, die hat es schon selber vorher getan. Wat sagste? Ne lustige Familie, Max, die versteht zu leben. Brief von der Frau: Betrüger! Überschrift mit Ausrufungszeichen, det soll er hören. »Da ich das Leben so weiterzuführen leid bin, hab ich den Entschluß gefaßt, in den Kanal zu gehen. Nimm dir einen Strick und häng dich auf. Julie. Punkt.« Er krümmt sich vor Lachen: »Es herrscht keene Eintracht in der Familie: sie in den Kanal und er den Strick. Die Frau sagt: häng dich uff, und er schmeißt die Kinder ins Wasser. Der Mann kann nicht hören. Aus die Ehe konnte nischt werden.«
Es sind zwei ältere Leute, Bauarbeiter von der Rosenthaler Straße. Der andere mißbilligt, was der eine redet. »Det ist ein trauriger Fall, wenn du sowat auf dem Theater siehst oder im Buch liest, dann heulste.« »Du vielleicht. Aber Maxe, wird eener über sowat heulen, warum denn?« »Die Frau, drei Kinder, nu hör schon uff.« »Wie ick bin, mir macht det Spaß, der Mann gefällt mir, die Kinder können einem ja leid tun, aber so mit einemmal, auf einen Tisch die ganze Familie kalt machen, ick hab Respekt davor, und dann –«. Er platzt wieder los: »Dann find ick det, du kannst mir klein schlagen, ick find det nu mal so furchtbar komisch, wie die sich noch bis zuletzt zanken. Die Frau sagt, einen Strick soll er nehmen, und er sagt: grade nicht, Julie, und schmeißt die Kinder rin.«
Der andere hat sich seine Stahlbrille aufgesetzt, liest die Geschichte nochmal. »Der Mann lebt. Den haben sie gefaßt. Na. Ick möchte nicht in dem seine Haut stecken.« »Wer weeß. Du weeßt gar nischt.« »Det weeß ick aber nu doch.« »Weeßtu. Von dem kann ick mir schon denken. Der sitzt in der Zelle, raucht seinen Tabak, wenn er welchen kriegt, und sagt: Ihr könnt mir alle.« »So dann weeßte was. Gewissensbisse, mein Junge. Der heult in de Zelle oder sagt gar nichts. Der kann nicht einschlafen. Mensch, du redest dir geradezu in ne Sünde rein.« »Det bestreite ick nu eben ganz entschieden. Der kann ausgezeichnet schlafen. Wenn det ein so rabiater Kerl ist, dann schläft der auch gut und ißt und trinkt vielleicht besser als draußen. Da garantier ich für.« Der andere sieht ihn ernst an. »Dann ist det eben ein ganz roher Hund. Wenn man sonen köpft, da geb ich meinen Segen zu.« »Hast du auch recht. Würd er ooch sagen,
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