Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Titel: Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
Vom Netzwerk:
will mit son dämliches Luder nichts zu tun haben, ein Kerl, der stempeln geht und noch die Schnauze aufreißt, wenn ein anderer Geld verdient.«
    Da sind sie alle so ungefähr einer Meinung. Franz Biberkopf sitzt neben dem Jungen, den sie Willi nennen, und prostet ihn an: »Wißt Ihr, Ihr seid bloß zehn bis zwölf Jahre jünger als wir, aber Ihr seid hundert Jahr schlauer als wir. Kinder, hätt ick mir getraut so zu reden, wie ich zwanzig war. Donnerlüttchen, da heißt es bei den Preußen: Hände an die Hosennaht.« »Machen wir ooch. Bloß nicht an unsere eigene.« Gelächter.
    Der Raum ist voll; der Kellner macht eine Tür auf, eine enge Hinterstube ist frei. Da rückt der ganze Tisch ran unter das Gaslicht. Es ist sehr heiß, die Stube ist voll Fliegen, ein Strohsack liegt auf dem Boden, er wird hochgekippt, aufs Fensterbrett, zum Lüften. Das Gerede geht weiter. Der Willi sitzt dazwischen und gibt nicht nach.
    Da hat der grüne Junge, der vorhin abgefallen war, am Handgelenk Willis eine Armbanduhr entdeckt und staunt immer, daß die aus Gold ist: »Die haste aber billig gekooft.« »Drei Märker.« »Hat einer geklaut.« »Jeht mich nischt an. Willste ooch eene?« »Nee. Danke. Damit mir einer erwischt, und dann heißt es: wo haben Sie die Uhr her?« Willi lacht um sich: »Der fürcht sich vorn Diebstahl.« »Nu hör mal uff du.« Willi legt einen Arm über den Tisch: »Der hat wat gegen meine Uhr. Für mich ist det ne Uhr, die geht und aus Gold ist.« »Für drei Märker.« »Dann will ick dir mal wat anders zeigen. Gib mir mal dein Seidel. Sag mal, wat is det?« »Ein Seidel.« »Richtig, Seidel zum Trinken.« »Werd ich nicht nein sagen.« »Und das hier?« »Das ist die Uhr. Mensch, du spielst wohl den Dummen.« »Det ist ne Uhr. Das ist kein Stiebel und kein Kanarienvogel, aber wenn du willst, kannst du da ooch Stiebel dazu sagen, det kannste machen, wie du willst, det liegt ganz bei dir.« »Versteh ick nicht. Wo willste raus?« Willi scheint aber zu wissen, was er will, er nimmt den Arm weg, faßt ein Mädel an und sagt: »Du geh mal.« »Wat denn? Wieso denn?« »Na geh mal hier bloß so an die Wand lang.« Sie will nicht. Die andern rufen ihr zu: »Geh doch mal, Mensch, hab dir doch nicht.«
    Dann steht sie auf, sieht Willi an, geht an die Wand. »Hu du oller Brauner!« »Geh«, schreit Willi. Die streckt ihm lang die Zunge raus und marschiert, mit dem Steiß wackelnd. Man lacht. »Jetzt kommst du wieder her. Also: wat hat die gemacht?« »Die hat dir die Zunge rausgestreckt!« »Wat noch?« »Geloofen is sie.« »Jut. Geloofen.« Das Mädel mischt sich ein: »Etsch, nee. Det war getanzt.« Der ältere vor seinen Stullen: »Det war nich getanzt. Seit wann ist det getanzt, wenn einer den Hintern rausstreckt.« Das Mädel: »Wenn du deinen rausstreckst, nicht.« Zwei rufen: »Geloofen ist sie.« Willi lacht siegreich und hört sich das an: »Na also, und ich sag: sie ist marschiert.« Der grüne Junge ärgerlich: »Na wat is denn nu los?«
    »Janischt is los. Da siehste doch, geloofen, getanzt, marschiert, wie du willst. Det verstehst du noch immer nicht. Denn will ick dirs vorkauen. Dies ist ein Seidel vorher, aber du kannst auch Spucke dazu sagen, dann müssen vielleicht alle Spucke dazu sagen, getrunken wird aber doch daraus. Und wenn die marschiert, dann ist sie marschiert oder geloofen oder getanzt; wat et aber war, haste ja selber gesehen. Mit deine Augen. Das wars, was du gesehen hast. Und wenn wer einem ne Uhr wegnimmt, denn is det noch lange nich gestohlen. Siehste, jetzt verstehste mir. Weggenommen ist die, aus der Tasche oder aus ner Auslage, ausm Laden, aber gestohlen? Wer sagt denn det?« Willi setzt sich zurück, hat die Hände wieder in den Hosentaschen: »Ick eben nich.« »Und wat sagst du?« »Hörste doch. Ich sage: weggenommen. Hat seine Besitzer gewechselt.« Tablo. Willi steckt sein Boxerkinn vor und sagt nichts. Die andern denken nach. Es ist etwas Unheimliches an der Tafel erschienen.
    Willi attackiert plötzlich Franzen, den einarmigen, mit seiner scharfen Stimme: »Du hast zu den Preußen gemußt, bist im Krieg gewesen. Det heißt für mich Freiheitsberaubung. Aber die hatten Gerichte und Polizei für sich, und weil sie die hatten, haben sie dir das Maul verbunden, und jetzt heißt es nicht Freiheitsberaubung, wie du Ochse denkst, sondern Dienstpflicht. Und die mußte leisten, wie die Steuern, wo du auch nicht weiß, wo die hinkommen.«
    Das Mädel knaut: »Mach doch bloß

Weitere Kostenlose Bücher