Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)
haste ganz recht.« »Nu hör schon auf mit dem Mist. Ick bestell mir Gurke.« »Is doch interessant sone Zeitung. Ein rabiater Hund, vielleicht tut ihm aber doch schon die Geschichte leid, manch einer übernimmt sich in der Arbeit.« »Ick esse Gurke und Schweinskopf.« »Ick ooch.«
Ein anderer Mensch braucht auch einen anderen
Beruf oder auch gar keinen
Wenn Sie das erste Loch im Ärmel bemerken, dann wissen Sie, es ist höchste Zeit, sich um einen neuen Anzug zu kümmern. Wenden Sie sich dann sofort an die richtige Stelle, die Ihnen in übersichtlichen Lagern und hellen schönen Räumen, an breiten Tischen all die Kleidungsstücke zeigen wird, die Sie notwendig brauchen.
»Ich kann nischt machen, Sie können sagen, Frau Wegner, was Sie wollen: ein Mann mit einem Arm, und noch der rechte, is geliefert.« »Det kann ick nich anners leugnen, es is schwer, Herr Biberkopf. Darum brauch man aber doch nich so japsen und son Gesicht zu ziehen. Mensch, wird einem ja ordentlich bange vor Ihnen.« »Na wat soll ick denn mit einem Arm?« »Stempeln gehn oder machen sich doch einen kleenen Stand auf.« »Was fürn Stand?« »Zeitung oder Schnittwaren oder verkaufen Sie Sockenhalter oder Halsbänder vor Tietz oder wo.« »Zeitungskeller?« »Oder Obst, Obstwaren.« »Ich bin zu alt dazu, da muß einer jünger sein.«
Das ist eine Sache von früher, da geh ich nicht mehr ran, da mag ich nicht mehr ran und das ist abgemacht und erledigt.
»Sie müssen eene Braut haben, Herr Biberkopf, die wird Sie schon alles sagen und Ihnen beistehen, wo es nottut. Die kann am Wagen mitziehn oder am Stand verkoofen, wenn Sie mal wegmüssen.«
Mütze auf, runter, alles Quatsch, nächstens binde ich mir nen Leierkasten um und geh dudeln. Wo ist Willi?
»Tag, Willi.« Nachher sagt Willi: »Nee viel machen kannste nich. Aber wenn du schlau bist, kannste doch noch was. Wenn ich dir zum Beispiel täglich was gebe, was zu verkoofen oder unter der Hand abzusetzen und du hast gute Freunde und ihr könnt dicht halten, dann setzt du das ab und du verdienst schön mit.«
Und das will Franz. Durchaus will er das. Er will auf eigene Beine stehen. Was rasch Geld bringt, will er. Arbeiten, Quatsch. Auf Zeitungen spuckt er, kriegt ne Wut, wenn er diese Kalbsköppe, die Zeitungshändler sieht, und manchmal staunt er, wie einer so dämlich sein kann und sich abrackern und andere dicht daneben fahren Auto. Sollte mir passen. Das war einmal, mein Junge. Tegeler Gefängnis, Allee schwarzer Bäume, die Häuser wackeln, die Dächer wollen einem aufn Kopf fallen und ich muß anständig werden! Komisch, der Franze Biberkopf muß durchaus anständig sein, was sagste dazu, da schlägste lang hin. Komisch, ich muß nen Zuchthausknall gehabt haben, Manoli links rum. Geld her, Geld verdient, Geld braucht der Mensch.
Jetzt seht ihr Franz Biberkopf als einen Hehler, einen Verbrecher, der andere Mensch hat einen andern Beruf, er wird bald noch schlimmer werden.
Es ist ein Weib, bekleidet mit Purpur und Scharlach und übergüldet mit edlen Steinen und Perlen und hat einen goldenen Becher auf der Hand. Sie lacht. An ihrer Stirn steht ihr Name geschrieben, ein Geheimnis, die große Babylon, die Mutter der Hurerei und aller Greuel auf Erden. Sie hat das Blut des Heiligen getrunken, vom Blut der Heiligen ist sie trunken. Die Hure Babylon sitzt da, das Blut der Heiligen hat sie getrunken.
Was für eine Kluft trug Franz Biberkopf, wie er bei Herbert Wischow wohnte?
Was trägt er jetzt? Auf einem Tisch für bare 20 Mark gekauft einen tadellosen Sommeranzug. Für besondere Feierlichkeiten ein eisernes Kreuz links, das trägt er als Legitimation für seinen Arm, genießt die Hochachtung der Passanten und den Ärger der Proleten.
Wie ein wohlgenährter biederer Kneipwirt oder Schlächtermeister sieht er aus, Bügelfalten, Handschuh, steifer runder Hut. Für Überraschungen hat er Papiere bei sich, falsche, auf einen gewissen Franz Räcker, der 1922 bei den Unruhen umgekommen ist und dem seine Papiere schon vielen geholfen haben. Was auf dem Papier steht, weiß Franz alles auswendig, auch wo die Eltern wohnen, wann sind die geboren, wieviel Geschwister haben Sie, was arbeiten Sie, wann haben Sie zuletzt gearbeitet, und was so ein Bulle plötzlich fragen kann, das weitere wird sich schon ergeben.
Im Juni ist das passiert. Im wunderschönen Monat Juni hat sich der Schmetterling entwickelt, nachdem er seine Verpuppung hinter sich hatte. Und Franz floriert schon leidlich, als
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