Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)
treiben. Was dabei herauskommt, haben wir gesehen; die Kommunisten sind selbst korrumpiert worden, wir brauchen kein Wort zu verlieren an die Entlarvungspolitik. Das ist Schwindel, und was da zu entlarven ist, das sieht in Deutschland ein Blinder, und dazu braucht man nicht inn Reichstag zu gehen, und wer das nicht so sieht, dem ist eben nicht zu helfen, nicht mit Reichstag und nicht ohne Reichstag. Daß die Quatschbude zu nichts gut ist, als um das Volk einzuseifen, das wissen alle Parteien außer den sogenannten Vertretern des arbeitenden Volkes.
Unsere guten Sozialisten. Na, es gibt nu schon religiöse Sozialisten dabei, und das ist nu noch der Punkt auf dem I: die müssen alle religiös werden, sollen man alle zum Pfaffen laufen. Denn ob der Mann, zu dem sie laufen, Pfaffe ist oder Bonze, ist egal; die Hauptsache: es wird pariert. (Zuruf: Und geglaubt.) Das sowieso. Die Sozialisten wollen nichts, wissen nichts, können nichts. Sie haben im Reichstag immer die meisten Stimmen, aber was sie damit machen sollen, wissen sie nicht, ja doch, auf Klubsessel sich setzen und Zigarren rauchen und Minister werden. Und dazu haben dann die Arbeiter ihre Stimme hergegeben, ihre Groschen am Zahlabend aus der Tasche rausgeholt: es werden noch fuffzich oder hundert Männer auf Kosten der Arbeiter dick. Die Sozialisten erobern nicht die staatspolitische Macht, sondern die staatspolitische Macht hat die Sozialisten erobert. Man wird alt wie eine Kuh und lernt noch immer was dazu, aber solche Kuh wie der deutsche Arbeiter soll noch geboren werden. Immer wieder nehmen deutsche Arbeiter den Stimmzettel in die Hand, gehen ins Lokal und geben ihn ab und denken, damit ist es getan. Sie sagen: wir wollen im Reichstag unsere Stimme erschallen lassen; na, da können sie lieber gleich einen Gesangverein gründen.
Genossen und Genossinnen, wir nehmen keinen Stimmzettel in die Hand, wir wählen nicht. Uns ist an sonem Sonntag ne Landpartie gesünder. Und warum? Weil der Wähler festgelegt wird auf die Gesetzlichkeit. Gesetzlichkeit aber ist die grobe Gewalt, die Brachialgewalt der Herrschenden. Die Wahlpfaffen wollen uns verleiten, da gute Miene zu machen, sie wollen vertuschen, sie wollen verhindern, daß wir merken, was Gesetzlichkeit ist. Wir wählen aber nicht, weil wir doch wissen, was Gesetzlichkeit ist und was der Staat ist, und wir können durch keine Löcher und keine Türen in den Staat hinein. Höchstens als Staatsesel und Lastenträger. Und darauf habens die Wahlpfaffen abgesehen. Die wollen uns ködern und zu Staatseseln erziehen. Sie haben es bei der Mehrzahl der Arbeiterschaft längst erreicht. Wir sind in Deutschland im Geiste der Gesetzlichkeit erzogen. Aber Genossen, man kann nicht Feuer und Wasser verbinden, das soll der Arbeiter wissen.
Die Bürgerlichen und die Sozialisten und die Kommunisten schreien in einem Chor und freuen sich: Aller Segen kommt von oben. Vom Staat, vom Gesetz, von der hohen Ordnung. Es ist aber auch danach. Für alle, die im Staat leben, sind Freiheiten in der Verfassung festgelegt. Da liegen sie fest. Die Freiheit, die wir brauchen, die gibt uns niemand, die müssen wir uns nehmen. Diese Verfassung will die vernünftigen Menschen aus der Verfassung bringen, aber was macht ihr, Genossen, mit Freiheiten, die auf dem Papier stehen, mit geschriebenen Freiheiten? Wenn ihr wo eine Freiheit braucht, kommt ein Grüner, haut euch aufn Kopp; schreist du: wat soll det, in der Verfassung steht so und so, sagt er: Quatsch nich, Krause, und recht hat er; der Mann kennt keine Verfassung, sondern sein Reglement, und den Knüppel hat er dazu, und da hast du das Maul zu halten.
Es wird bald keine Möglichkeit zu Streiks bei den wichtigsten Industrien geben. Ihr habt die Guillotine der Schlichtungsausschüsse bekommen, unter der könnt ihr euch frei bewegen.
Genossen und Genossinnen, es wird gewählt und wieder gewählt und wird gesagt, dasmal wirds besser, paßt mal auf, strengt euch nur an, macht Propaganda zu Haus, im Betrieb, noch fünf Stimmen, noch zehn Stimmen, noch zwölf Stimmen, warte mal, dann sollste sehen, dann wirste was erleben. Ja. Ihr könnt was erleben. Es ist doch nur ein ewiger Kreislauf der Blindheit, es bleibt doch nur alles beim alten. Der Parlamentarismus verlängert das Elend der Arbeiterschaft. Sie reden auch von einer Krise der Justiz, und man muß die Justiz reformieren, reformieren an Haupt und Gliedern, die Richterschaft soll erneut werden, sie soll republikanisch gemacht werden,
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