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Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Titel: Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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staatserhaltend, gerecht. Wir wollen keine neuen Richter. Wir wollen statt dieser Justiz überhaupt keine andere Justiz. Wir stürzen die ganzen Staatseinrichtungen durch die direkte Aktion. Wir haben die Mittel dazu: Verweigerung der Arbeitskraft. Alle Räder stehen still. Aber das ist kein Lied zum Singen. Wir, Genossen und Genossinnen, lassen uns nicht einlullen durch Parlamentarismus, Fürsorge, den ganzen sozialpolitischen Schwindel. Wir kennen nur Feindschaft gegen den Staat –, Gesetzlosigkeit und Selbsthilfe.«

    Franz geht mit dem schlauen Willi in dem Raum herum, hört zu, kauft sich Broschüren, stopft sie sich in die Tasche. Er ist nicht für Politik, Willi paukt auf ihn ein, Franz hört neugierig zu, er faßt es mit den Fingern, es berührt ihn, dann berührt es ihn wieder nicht. Aber er läßt den Willi nicht.
    – Die bestehende Gesellschaftsordnung gründet sich auf die wirtschaftliche, politische und soziale Versklavung des werktätigen Volkes. Sie findet im Eigentumsrecht, dem Monopol des Besitzes, und im Staat, dem Monopol der Macht, ihren Ausdruck. Nicht die Befriedigung der natürlichen menschlichen Bedürfnisse, sondern die Aussicht auf Gewinn ist die Grundlage der heutigen Produktion. Jeder Fortschritt der Technik steigert den Reichtum der besitzenden Klasse ins Ungemessene, in schamlosem Gegensatz zum Elend breiter Gesellschaftsteile. Der Staat dient dem Schutz der Privilegien der besitzenden Klasse und zur Niederhaltung der breiten Massen, er wirkt mit allen Mitteln der List und Gewalt für die Aufrechterhaltung des Monopols und der Klassenunterschiede. Mit der Entstehung des Staats beginnt die Zeit der künstlichen Organisation von oben nach unten. Jetzt wird der einzelne zur Marionette, ein totes Rad in einem ungeheuren Mechanismus. Wacht auf! Wir erstreben nicht wie alle andern die Eroberung der politischen Macht, sondern ihre radikale Beseitigung. Arbeitet nicht mit in den sogenannten gesetzgebenden Körperschaften: Der Sklave soll da nur veranlaßt werden, seiner eigenen Sklaverei den Stempel des Gesetzes aufzudrücken. Wir verwerfen alle willkürlich gezogenen politischen und nationalen Grenzen. Der Nationalismus ist die Religion des modernen Staates. Wir verwerfen jede nationale Einheit: dahinter verbirgt sich die Herrschaft der Besitzenden. Wacht auf! –
    Franz Biberkopf schluckt daran, was ihm Willi zu schlucken gibt. Es gibt eine Debatte nach einer Versammlung, wo sie in dem Lokal sitzenbleiben und mit einem älteren Arbeiter in Streit geraten. Willi kennt den schon, und der Arbeiter glaubt, Willi ist Kollege aus demselben Betrieb wie er, und will ihn drängen, mehr Agitation zu treiben. Der freche Willi lacht immer dazu und lacht: »Mensch, seit wann bin ich dein Kollege. Ich arbeite doch nicht für die Schlotbarone.« »Na, denn tu was, wo du bist, wo du arbeitest.« »Da brauch ich nischt zu tun. Wo ich arbeite, da wissen sie alle schon lange, was sie zu tun haben.« Willi biegt sich vor Lachen über den Tisch. Quatsch, kneift Franzen ins Bein, nächstens wird einer mit dem Kleistertopp rumloofen und für die ihre Plakate ankleben. Er lacht den Arbeiter an, der lange eisengraue Haare hat und die Brust offen trägt: »Weeste, du verkoofst doch die Zeitungen, den Pfaffenspiegel, Schwarze Fahne, Atheist; haste denn schon mal ringekuckt, wat da drinsteht?« »Na hör mal, Genosse, du kannst ooch mal deine Klappe halb so groß aufmachen. Ick, ich werde dir mal zeigen, was ich selber geschrieben habe.« »Na laß man. Da muß man ja ordentlich Respekt vor dir haben. Aber nächstens liest du vielleicht ooch, was du geschrieben hast, und hältst dir dran. Also hier steht: Kultur und Technik. Paß uff: ›Ägyptische Sklaven bauten ohne Maschinen jahrzehntelang an einem Königsgrab, europäische Arbeiter schuften mit Maschinen jahrzehntelang an einem Privatvermögen. Fortschritt? Vielleicht. Aber für wen?‹ Na. Nächstens werde ick ooch arbeiten, damit Krupp in Essen oder Borsig tausend Mark mehr im Monat hat, son Berliner König. Mensch, Genosse, wenn ich dir recht betrachte, wie kommst du mir überhaupt vor? Du willst ein Mann der direkten Aktion sein. Wo ist die denn bei dir? Ick seh nischt. Siehst du wat, Franz?« »Laß doch, Willi.« »Nee, sag doch, Mensch, ob du siehst, wo der Unterschied zwischen dem Genossen hier und von einem von der S. P. D. ist.«
    Der Arbeiter setzt sich fest in seinen Stuhl. Willi: »Für mich ist kein Unterschied, Genosse, das kann ich dir sagen. Bloß

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