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Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Titel: Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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wollen, wir werden es beide tun, dann wird der Herr rufen, wir werden ihn rufen hören: Hör auf. Ja; komm her, gib deinen Hals. Da. Ich hab keine Furcht, ich tue es gern. Bergauf, bergab, die langen Täler, da setz das Messer, schneid zu, ich werde nicht schreien.
    Und der Sohn legt den Hals zurück, der Vater tritt hinter ihn, drückt ihm auf die Stirn, mit der Rechten führt er das Schlachtmesser vor. Der Sohn will es. Der Herr ruft. Sie fallen beide auf das Gesicht.
    Wie ruft die Stimme des Herrn. Hallelujah. Durch die Berge, durch die Täler. Ihr seid mir gehorsam, hallelujah. Ihr sollt leben. Hallelujah. Hör auf, wirf das Messer in den Abgrund. Hallelujah. Ich bin der Herr, dem Ihr gehorcht und immer und allein gehorchen müßt. Hallelujah. Hallelujah. Hallelujah. Hallelujah. Hallelujah. Hallelujah. Hallelujah. Hallelujah, luja, luja, lujah, hallelujah, lujah, hallelujah.

    »Mieze, Mulleken, Mulleken kleenes, schimpf mir doch ordentlich aus.« Franz will die Mieze auf seinen Schoß ziehen. »Aber sag doch wat. Wat hab ick denn getan, weil ick mir verspätet habe gestern abend?« »Mensch, Franz, du machst dir noch unglücklich, mit wem du dir einläßt.« »Wieso denn?« »Der Chauffeur muß dir die Treppe ruffbringen. Und ick sag dir noch wat, aber keen Wort, und da liegste und pennst.« »Sag dir ja, bin in Tegel gewesen, jawoll, alleene, janz alleene.« »Nusag mal, Franz, ist det wahr.« »Ganz alleene. Ick hab mal da ein paar Jährchen abzumachen jehabt.« »Na ist denn noch wat?« »Nee, alles abgemacht bis uffn letzten Tag. Ick wollt mir det mal ansehen, und darum brauchste doch nicht böse zu sein, Mulleken.«
    Sie sitzt dann bei ihm, sieht ihn zärtlich wie immer an: »Du, mach doch keene Politik.« »Ick mach keene Politik.« »Gehst ooch nicht in Versammlungen.« »Ick denk, ich geh nich hin.« »Dann sagstet mir.« »Ja.«
    Dann legt Mieze ihren Arm um Franzens Schulter, hat ihren Kopf an seinem, sie sagen nichts.
    Und wieder gibt es nichts Zufriedeneres als unsern Franz Biberkopf, der die Politik zum Deibel schickt. Wird er sich den Kopf daran einrennen. Da sitzt er in den Lokalen, singt und spielt Karten, und Mieze hat schon einen Herrn kennengelernt, der ist beinah so reich wie Eva ihrer, aber schon verheiratet, was noch besser ist, der macht ihr eine feine Bude aus zwei unmöblierten Zimmern zurecht.
    Und dem, was Mieze will, entweicht Franz dann auch nicht. Eva überfällt ihn eines Tages in seiner Bude, und warum denn nicht, wenn Mieze es selbst will, aber Eva, wenn du nun wirklich wat Kleines kriegst, Mensch, wenn ick was kriege, mein Oller der baut mir zehn Schlösser, würde der sich vorkommen.

Die Fliege krabbelt hoch, der Sand fällt von ihr ab,
bald wird sie wieder brummen
    Es ist ja gar nicht viel zu erzählen von Franz Biberkopf, man kennt den Jungen schon. Was eine Sau tun wird, wenn sie in den Kofen kommt, kann man sich schon denken. Bloß hat es sone Sau besser als ein Mensch, weil die nämlich aus einem Stück Fleisch und Fett ist, und was mit der weiter passieren kann, ist nicht viel, wenns Futter langt: höchstens kann sie nochmal werfen, und am Ende ihres Lebens steht das Messer, was schließlich auch nicht besonders schlimm und aufregend ist: bevor sie was merkt – und was merkt son Vieh – ist sie schon hin. Ein Mensch aber, der hat Ihnen Augen, in dem steckt viel drin und alles durcheinander; der kann den Deibel denken und muß denken (der hat einen schrecklichen Kopf), was ihm passieren wird.
    So lebt unser ganz dicker, ganz lieber einarmiger Franz Biberkopf, Biberköppchen, seinen Trott in den Monat August rein, der ist noch leidlich temperiert. Und det Franzeken kann schon ganz hübsch rudern mit dem linken Arm, und von der Polizei hört er auch nichts, obwohl er sich gar nicht mehr meldet, die machen da eben auf dem Revier auch ihre Sommerferien, Gott, schließlich hat son Beamter ooch bloß zwee Beene, und für die paar Pimperlinge, die die verdienen, reißen sie sich ooch keen Bein aus, und warum soll eener rumloofen und suchen: wat ist denn mit dem Franz Biberkopf, wat Biberkopf, ausgerechnet Biberkopf, und warum hat der bloß einen Arm, vorher hat er doch zwee gehabt; laß den man in den Akten schimmeln, ein Mensch hat schließlich noch andere Sorgen.
    Bloß sind die Straßen da, da hört man und sieht man allerhand, fällt einem von früher wat ein, was man gar nicht will, und dann zieht sich das Leben so hin, Tag um Tag, und heute kommt was, dann verpaßt

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