Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)
Elektrische fährt ihn nach Tegel. Er bezahlt 20 Pfennig, die Fahrkarte hat er, er fährt nach Tegel, es geht wie geschmiert, es ist eine Sache. Wohl fühlt er sich! Es ist wahr, daß er hinfährt. Brunnenstraße, Uferstraße, Alleen, Reinickendorf, es ist wahr, das gibt es alles, da fährt er hinein, es steht da. Und hier ist es richtig! Und wie er sitzt, wird es immer wahrer, immer strenger, immer gewaltiger. So tief ist die Genugtuung, die er empfindet, so stark, so bezwingend ist die Wohltat, daß Franz sitzt, die Augen schließt und von einem machtvollen Schlaf verschlungen wird.
Die Elektrische hat im Finstern das Rathaus passiert. Berliner Straße, Reinickendorf-West, Tegel, Endstation. Der Schaffner weckt ihn, hilft ihm hoch: »Weiter gehts nicht. Wo wollten Sie denn hin?« Franz torkelt hinaus: »Tegel.« »Na denn sind Sie da.« Der hat aber schwer geladen, so versaufen die Invaliden ihre Rente.
Den Franz hat das gewaltige Schlafbedürfnis so erfaßt, daß er auf dem Platz, über den er streicht, hinsegelt auf die erste Bank hinter einer Laterne. Eine Schupostreife weckt ihn, drei Uhr, sie tut ihm nichts, der Mann sieht anständig aus, er hat schwer geladen, aber die können ihn ausplündern. »Sie dürfen hier nicht schlafen, wo wohnen Sie denn?«
Dann hat Franz genug. Er gähnt. Er will in die Baba. Ja, das ist Tegel, wat wollte ick noch hier, wollte ick wat hier, seine Gedanken laufen ineinander, ick muß in die Klappe, weiter gibts da nischt. Traurig döst er: Ja, ja, das ist Tegel, er weiß nicht, was damit ist, ja da hat er mal früher gesessen. Ein Auto. Wat war es noch, wat wollt ick in Tegel. Sie, Sie wecken mir, wenn ick schlafen tu.
Und der gewaltsame Schlaf kommt wieder und reißt ihm die Augen auf und Franz weiß alles.
Und da ist ein Gebirge und der alte Mann steht auf und sagt zu seinem Sohn: Komm mit. Komm mit, sagt der alte Mann zu seinem Sohn und geht und der Sohn geht mit, geht hinterdrein ins Gebirge hinein, hinauf, hinunter, Berge, Täler. Wie lange gehts noch Vater? Das weiß ich nicht, wir gehen bergauf, bergunter, ins Gebirge, komm nur mit. Bist du müde, Kind, magst du nicht mit. Ach, ich bin nicht müde; wenn du willst, daß ich mitkomme, geh ich schon mit. Ja komm nur. Bergauf, bergab, Täler, es ist ein langer Weg, es ist Mittag, da sind wir. Sieh dich um, mein Sohn, da steht ein Altar. Ich fürcht mich, Vater. Warum fürchtest du dich, Kind? Du hast mich früh geweckt, wir sind rausgegangen, wir haben den Hammel vergessen, den wir schlachten wollten. Ja, den haben wir vergessen. Bergauf, bergab, die langen Täler, das haben wir vergessen, der Hammel ist nicht mitgekommen, da ist der Altar, ich fürchte mich. Ich muß den Mantel ablegen, hast du Furcht, mein Sohn. Ja ich fürcht mich, Vater. Ich fürcht mich auch, Sohn, komm näher heran, fürcht dich nicht, wir müssen es tun. Was müssen wir tun? Bergauf, bergab, die langen Täler, ich bin so früh aufgestanden. Fürcht dich nicht, Sohn, tu es gern, komm näher heran zu mir, ich hab den Mantel schon abgelegt, ich kann meine Ärmel nicht mehr blutig machen. Ich fürcht mich doch, weil du das Messer hast. Ja, das Messer hab ich, ich muß dich ja schlachten, ich muß dich opfern, der Herr befiehlt es, tu es gern, mein Sohn.
Nein, ich kann es nicht tun, ich schreie, faß mich nicht an, ich will nicht geschlachtet werden. Jetzt liegst du auf den Knien, schrei doch nicht, mein Sohn. Ja ich schreie. Schrei nicht; wenn du nicht willst, kann ich es nicht tun, will es doch. Bergauf, bergab, warum soll ich nicht mehr nach Hause gehen. Was willst du zu Hause, der Herr ist mehr als zu Hause. Ich kann nicht, doch ich kann, nein ich kann nicht. Rück näher, sieh, ich hab schon das Messer da, blick es an, es ist ganz scharf, es soll an deinen Hals. Soll es durch meine Kehle? Ja. Dann sprudelt das Blut? Ja. Der Herr befiehlt es. Willst du es? Ich kann noch nicht, Vater. Komm doch bald, ich darf dich nicht morden; wenn ich es tue, muß es so sein, als wenn du es selbst tust. Ich selbst tue? Ah. Ja, und keine Furcht haben. Ah. Und das Leben nicht leben, dein Leben, denn du gibst es für den Herrn hin. Rück näher. Der Herr unser Gott will es? Bergauf, bergab, ich bin so früh aufgestanden. Du willst nicht feige sein? Ich weiß, ich weiß, ich weiß! Was weißt du, mein Sohn. Setz mir das Messer an, warte, ich will meinen Kragen zurückschlagen, der Hals soll ganz frei sein. Du scheinst was zu wissen. Du mußt nur wollen und ich muß es
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