Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)
sinken lassen, immer regelmäßig einnehmen und das Schlafmittel und die Massage.« »Wird besorgt, Herr Doktor; auf Wiedersehen, und ich danke auch vorläufig.«
»Nu haste dein Willen gehabt, Eva.« »Ick hol dir denn die Bäder und die Nervenmedizin.« »Ja, hol man.« »Und du bleibst oben solange.« »Schön. Schöneken, Eva.«
Dann zieht sich Eva den Mantel an und geht runter. Und nach einer Viertelstunde geht auch Franz.
Die beginnende Schlacht. Wir fahren in die Hölle
mit Pauken und Trompeten
Das Schlachtfeld lockt, das Schlachtfeld!
Wir fahren in die Hölle mit Pauken und Trompeten, für diese Welt haben wir nichts übrig, sie kann uns bleiben gestohlen mitsamt allem, was drauf und drunter und drüber ist. Mit ihren ganzen Menschen, mit Männern und Frauen, mit dem ganzen höllischen Gelichter, es ist auf keinen zu bauen. Wenn ich ein Vöglein wär, nähm ich ein Haufen Dreck, schmeiß es mit beiden Füßen hinter mich und flieg weg. Wenn ich ein Pferd wäre, ein Hund, eine Katz, da kann einer nichts Besseres machen, als seinen Mist auf die Erde fallen lassen und dann möglichst rasch davon.
Es ist nichts los auf dieser Welt, ich habe keene Lust, mich wieder zu besaufen, das könnt ich schon, saufen, saufen und saufen, und dann fängt doch der höllische Dreck von vorn an. Der liebe Gott hat die Erde gemacht, das soll mir ein Pfaff sagen, wozu. Aber er hat sie doch noch besser gemacht, als die Pfaffen wissen, er hat uns erlaubt, auf den ganzen Zauber zu pissen, und hat uns zwei Hände gegeben und einen Strick dazu, und da weg mit dem Dreck, das können wir, dann ist der höllische Mist vorbei, viel Vergnügen, mein Segen, wir fahren in die Hölle mit Pauken und Trompeten.
Wenn ich den Reinhold könnte fassen, dann wäre meine Wut vorbei, dann könnte ich ihn beim Genick fassen und ihm das Genick brechen und ihn nicht leben lassen, und mir ging es dann besser, und ich wäre dann satt, und es wäre recht, und ich hätte Ruh. Aber der Hund, der mir soviel angetan hat, der mich zum Verbrecher wieder hat gemacht, mir den Arm gebrochen hat, der lacht irgendwo in der Schweiz über mich. Erbärmlich wie ein lumpiger Hund lauf ich rum, er kann mit mir machen, was er will, kein Mensch steht mir bei, nicht mal die Kriminalpolizei, die will mich noch fassen, als hätte ich die Mieze umgebracht, und das hat noch der Schuft gemacht, daß er mich da hat mit reingelegt. Der Krug geht so lange zu Wasser, bis er bricht. Ich hab genug ausgehalten und getan, mehr kann ich nicht. Es kann mir keiner absprechen, daß ich mich nicht habe gewehrt. Aber was zuviel ist, ist zuviel. Weil ich aber Reinhold nicht kann töten, bring ich mich selber um. Ich fahr in die Hölle mit Pauken und Trompeten.
Wer ist es, der hier auf der Alexanderstraße steht und ganz langsam ein Bein nach dem andern bewegt? Sein Name ist Franz Biberkopf, was er betrieben hat, ihr wißt es schon. Ein Ludewig, ein Schwerverbrecher, ein armer Kerl, ein geschlagener Mann, er ist jetzt dran. Verfluchte Fäuste, die ihn geschlagen haben! Schreckliche Faust, die ihn ergriffen hat! Die andern Fäuste schlugen und ließen ihn los, da war eine Wunde, da war er bloß, die konnte heilen, Franz blieb, wie er war, und konnte weitereilen. Jetzt, die Faust läßt nicht los, die Faust ist ungeheuer groß, sie wiegt ihn mit Leib und Seele ein, Franz geht mit kleinen Schritten und weiß: mein Leben ist nicht mehr mein. Ich weiß nicht, was ich jetzt tun muß, aber mit Franz Biberkopf ist es aus und Schluß.
Es ist November, spät abends gegen neun, die Brüder treiben sich auf der Münzstraße rum, und der Lärm von der Elektrischen und vom Autobus und von den Zeitungsschreiern ist groß, die Schupos gehen aus der Kaserne mit den Gummiknüppeln los.
In der Landsberger Starße marschiert ein Zug mit roten Fahnen: Wacht auf, Verdammte dieser Erde.
»Mokka fix«, Alexanderstraße, gute unerreichte Zigarren, gepflegte Biere in f. Kannen, jegliches Kartenspiel ist streng verboten, wir bitten die geehrten Gäste, auf die Garderobe selbst zu achten, weil ich für nichts aufkomme. Der Wirt. Frühstück von 6 Uhr früh bis 1 Uhr mittag 75 Pfennig, eine Tasse Kaffee, 2 gekochte Eier und ein Butterbrot.
In der Kaffeeklappe Prenzlauer Straße setzt sich Franz hin, sie jubeln ihm zu: »Herr Baron!« Sie ziehen ihm die Perücke ab, er schnallt den künstlichen Arm ab, bestellt sich Bier, den Mantel legt er sich über die Knie.
Drei Mann sind da, die haben graue Gesichter, und
Weitere Kostenlose Bücher