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Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Titel: Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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Seele, die Seele, o moderne Gefühlskiste! Medizin auf Flügeln des Gesanges.«
    Die beiden Herren schweigen und lächeln innerlich. Die alte Generation spricht viel, von einem gewissen Alter an lagert sich im Gehirn Kalk ab und lernt man nichts zu. Der Oberarzt pafft, unterschreibt weiter, spricht weiter:
    »Sehen Sie, Elektrizität ist schon gut, schon besser wie das Gequatsche. Aber nehmen Sie einen schwachen Strom, so nützt der nichts. Und nehmen Sie einen starken, dann können Sie was erleben. Kennt man ausm Krieg, Starkstrombehandlung, Mann Gottes. Das ist nicht erlaubt, moderne Folter.« Da fassen sich die jungen Herren ein Herz und fragen, was soll man machen etwa im Fall Biberkopf? »Erstens stellt man eine Diagnose, und wenns möglich, die richtige. Außer der unbestreitbaren Seele – wir kennen doch unsern Joethe und Chamisso auch noch, wenns auch ein bißchen lange her ist –, außerdieses gibt es noch Nasenbluten, Hühneraugen und gebrochene Beine. Die muß man behandeln, wie ein anständiges gebrochenes Bein oder ein Hühnerauge es von einem Doktor verlangt. Mit einem kaputten Bein können Sie machen, was Sie wollen, das heilt nicht auf Zureden, und da können Sie noch Klavier zu spielen, das heilt nicht. Das will, man soll ne Schiene anlegen und die Knochen richtig einrenken, dann gehts sofort. Mit einem Hühnerauge ists nicht anders. Das verlangt, man soll pinseln oder sich bessere Stiefel kaufen. Letzteres ist teurer, aber zweckmäßiger.« Die Weisheit der Pensionsberechtigungen, geistige Gehaltsstufe null. »Also was soll man tun in diesem Fall Biberkopf, was meinen Herr Oberarzt?« »Die richtige Diagnose stellen. Die heißt hier, nach meiner freilich längst überlebten Diagnostik, katatoner Stupor. Übrigens, falls sich nicht sogar ein ganz grober organischer Befund dahinter versteckt, etwas im Gehirn, eine Geschwulst, etwas im Mittelhirn, Sie wissen, was wir bei der sogenannten Kopfgrippe gelernt haben, wenigstens wir Älteren. Vielleicht erleben wir noch ne Sensation im Sektionssaal, wär nicht zum erstenmal.« »Katatoner Stupor?« Sollte sich selbst mal neue Stiebel kaufen. »Ja, was so mit Starre daliegt, diese Schweißausbrüche, und dann zwinkert das gelegentlich und beobachtet uns ausgezeichnet, aber sagen tuts nichts, und essen tuts auch nicht, sieht uns nach Katatonie aus. Der Herr Simulant oder ein Psychogener kippt schließlich doch aus den Pantinen. Verhungern, so weit läßt ders nicht kommen.« »Und was bessert sich für den Mann bei dieser Diagnose, Herr Oberarzt, hilft ihm doch auch nichts.« Den haben wir jetzt gut im Schwitzkasten. Der Oberarzt lacht heftig raus, steht auf; der Oberarzt tritt ans Fenster, klopft dem Assistenzarzt auf die Schulter: »Na, erstens wird er von euch beiden verschont, lieber Kollege. Dann kann er wenigstens ruhig pennen. Das ist für den ein Vorteil. Glauben Sie nicht, daß den das nicht schließlich auch langweilt, was Sie und der andere Kollege ihm vorbeten? Wissen Sie übrigens, worauf ich nu meine Diagnose eisern stützen werde? Sehen Sie, jetzt hab ichs. Der hätte doch längst zugegriffen, Menschenskind, wenn es bei dem die sogenannte Seele wäre. Wenn so ein ausgekochter Zuchthäusler sieht, da kommen so junge Herren an, die natürlich nen Dreck von mir wissen – verzeihen Sie, wir sind ja unter uns –, die wollen mir gesund beten, für so einen Jungen sind Sie ein gefundenes Fressen. Das kann er brauchen. Und was er dann tut, schon längst getan hätte? Sehen Sie, Kollege, hätte der Junge Verstand und Berechnung –« Jetzt glaubt das blinde Huhn endlich ein Korn gefunden zu haben; wie es gackert, gackert. »Er ist ja gehemmt, Herr Oberarzt, es ist ja auch nach unserer Ansicht eine Sperrung, aber durch seelische Momente bedingt, – Verlust des Kontaktes mit der Realität, nach Enttäuschungen, Versagungen, dann kindliche Triebansprüche an die Realität, fruchtlose Versuche den Kontakt wiederherzustellen.« »Quatsch, seelische Momente. Dann würde er eben andere seelische Momente haben. Dann hört er auf mit der Sperre und der Hemmung. Die schenkt er Ihnen beiden als Weihnachtsgeschenk. In einer Woche steht er auf mit Ihrer Hilfe, Gott, was sind Sie für ein großer Gesundbeter, gepriesen die neue Therapie, Sie schicken ein Huldigungstelegramm an Freud nach Wien, die Woche drauf geht der Junge mit Ihrer Unterstützung aufm Korridor spazieren, Wunder, Wunder, halleluja; noch ne Woche, dann kennt er sich aufm Hof aus, und noch ne

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