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Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Titel: Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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hört dieses Franz, und was soll das heißen: das singt der Tod? So gedruckt im Buch oder laut vorgelesen ist es etwas wie Poesie, Schubert hat ähnliche Lieder komponiert, der Tod und das Mädchen, aber was soll das hier?
    Ich will nur die lautere Wahrheit sagen, die lautere Wahrheit, und diese Wahrheit ist: Franz Biberkopf hört den Tod, diesen Tod, und hört ihn langsam singen, der wie ein Stotterer singt, immer mit Wiederholungen, und wie eine Säge, die ins Holz fährt.
    »Ich habe hier zu registrieren, Franz Biberkopf, du liegst und willst zu mir. Ja, du hast recht gehabt, Franz, daß du zu mir kamst. Wie kann ein Mensch gedeihen, wenn er nicht den Tod aufsucht? Den wahren Tod, den wirklichen Tod. Du hast dich dein ganzes Leben bewahrt. Bewahren, bewahren, so ist das furchtsame Verlangen der Menschen, und so steht es auf einem Fleck, und so geht es nicht weiter.
    Als Lüders dich betrog, hab ich zum erstenmal mit dir gesprochen, du hast getrunken und hast dich – bewahrt! Dein Arm zerbrach, dein Leben war in Gefahr, Franz, gesteh es, du hast in keinem Augenblick an den Tod gedacht, ich schickte dir alles, aber du erkanntest mich nicht, und wenn du mich errietst, du bist immer wilder und entsetzter – vor mir davongerannt. Dir ist nie in den Kopf gekommen, dich zu verwerfen und was du begonnen hast. Du hast dich in Stärke hineingekrampft, und noch immer nicht ist der Krampf verdampft, und es nützt doch nichts, hast selber gefühlt, es nützt doch nichts, es kommt der Augenblick, da nützt es nichts, der Tod singt dir kein sanftes Lied und legt dir kein würgendes Halsband um. Ich bin das Leben und die wahre Kraft, du willst dich endlich, endlich nicht mehr bewahren.«
    »Was? Was! was meinst du von mir, was willst du mit mir machen?«
    »Ich bin das Leben und die wahrste Kraft, meine Kraft ist stärker als die dicksten Kanonen, du willst nicht in Ruhe vor mir irgendwo wohnen. Du willst dich erfahren, du willst dich erproben, das Leben kann sich ohne mich nicht lohnen. Komm, nähere dich mir, damit du mich siehst, Franz, sieh, wie du unten in einem Abgrund liegst, ich will dir eine Leiter zeigen, da findest du einen neuen Blick. Du wirst jetzt zu mir herübersteigen, ich halt sie dir hin, du hast zwar nur einen einzigen Arm, aber greif fest zu, deine Beine treten fest, greif zu, tritt auf, komm heran.«
    »Ich kann im Dunkeln keine Leiter sehen, wo hast du sie denn, kann auch mit meinem einen Arm nicht klettern.«
    »Du kletterst nicht mit dem Arm, du kletterst mit den Beinen.«
    »Ich kann mich nicht festhalten, es hat keinen Sinn, was du verlangst.«
    »Du willst nur nicht näher heran zu mir. Dann will ich dir Licht machen, dann findest du hin.«
    Da nimmt der Tod den rechten Arm hinter dem Rücken hervor, und es zeigt sich, warum er ihn hinter dem Rücken versteckt hat.
    »Wenn du nicht Mut hast, im Finstern zu kommen, ich mach dir Licht, kriech näher heran.«
    Da blitzt ein Beil durch die Luft, es blitzt, es erlischt.
    »Kriech näher, kriech näher!«
    Und wie er das Beil schwingt, von oben hinter seinem Kopf nach vorn schwingt und weiter vor in einem Bogen, in einem Kreis, den der Arm beschreibt, scheint ihm das Beil zu entsausen. Aber schon hebt sich seine Hand hinter seinem Kopf vor, sie schwingt wieder ein Beil. Es blitzt, es fällt, es fallbeilt im Halbbogen vorn vor durch die Luft, schlägt ein, schlägt ein, ein neues saust, ein neues saust, ein neues saust.
    Schwing hoch, fall nieder, hack ein, schwing hoch, schlag nieder, hack ein, schwing, fall, hack, schwing fall hack, schwing hack, schwing hack.
    Und im Blitzen des Lichts und während es schwingt und blitzt und hackt, kriecht Franz und tastet die Leiter, schreit, schreit, schreit Franz. Und kriecht nicht zurück. Schreit Franz. Der Tod ist da.
    Franz schreit.
    Es schreit Franz, kriecht an und schreit.
    Er schreit die ganze Nacht. Ist in Marsch gekommen Franz.
    Er schreit in den Tag hinein.
    Er schreit in den Vormittag hinein.
    Schwing fall hack.
    Schreit in den Mittag hinein.
    Schreit in den Nachmittag hinein.
    Schwing fall hack.
    Schwing, hack, hack, schwing, schwing hack, hack, hack.
    Schwing, hack.
    Schreit in den Abend, in den Abend. Die Nacht kommt.
    Schreit in die Nacht, Franz in die Nacht.
    Sein Körper schiebt sich weiter vor. Es werden auf dem Block geschlagen von seinem Körper Stück um Stück. Sein Körper schiebt sich automatisch vor, muß sich vorschieben, er kann nicht anders. Das Beil wirbelt in der Luft. Es blitzt und

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