Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)
ich auch hinter mir.
Wumm Schlag, wumm Schlag, wumm Sturmbock, wumm Torschlag. Im Wuchten und Rennen, Krachen, Schwingen kommen die Gewaltigen des Sturms zusammen und beraten, es ist Nacht, wie man es macht, daß Franz erwacht, nicht daß sie ihm die Glieder zerbrechen wollen, aber das Haus ist so dick, und er hört nicht, was sie rufen, und würde er näher bei ihnen draußen sein, dann würde er sie fühlen und würde Mieze hören schrein. Dann ginge sein Herz auf, sein Gewissen würde erwachen, und er stünde auf, und es wäre gut, jetzt weiß man nicht, was man tut. Wenn man ein Beil hat und schlägt in hartes Holz hinein, dann fängt auch der älteste Baum an zu schrein. Aber dies starre Liegen, Sichverkneifen, Sichversteifen in das Unglück, das ist das Schlimmste auf der Welt. Wir dürfen nicht nachlassen, entweder wir brechen mit dem Sturmbock in das feste Haus ein, wir zerschlagen die Fenster, oder wir heben Dachluken auf; wenn er uns fühlt, wenn er das Schreien hört, von Mieze das Schreien, das bringen wir mit, dann lebt er und weiß schon besser, was ist. Wir müssen ihn ängstigen und erschrecken, er soll keine Ruh haben in seinem Bett, wie heb ich ihm schon die Decke auf, wie weh ich ihn schon auf den Boden, wie blase ich dem Wärter das Buch und das Bier vom Tisch, wumm wumm, wie werf ich ihm die Lampe um, die Glühbirne schmeiß ich hin, vielleicht gibt es dann Kurzschluß im Haus, vielleicht bricht dann Feuer aus, wumm wumm, Feuer im Irrenhaus, Feuer auf der festen Station.
Franz stopft sich die Ohren zu, macht sich steif. Um das feste Haus wechselt Tag und Nacht, helles Wetter, Regen.
An der Mauer steht ein junges Fräulein aus dem Dorf, unterhält sich mit einem Wärter: »Sieht man, daß ich geweint habe?« »Nee, bloß die eine Backe ist dick.« »Der ganze Kopf, der Hinterschädel, alles. Ja.« Sie weint, holt sich ein Taschentuch aus dem Täschchen, das Gesicht zieht sich sauer zusammen. »Dabei hab ich gar nichts weiter gemacht. Ich sollte zum Bäcker gehen, was holen, kenn ich das Fräulein und frag ihr, was sie macht, sagt sie mir, sie geht heut zum Bäckerball. Kann man denn immer zu Hause sitzen bei dem schlechten Wetter. Und sie hat noch ein Billett und will mich mitnehmen. Kost kein Pfennig. Ist doch nett von dem Fräulein, nicht?« »Aber ja.« »Aber da müssen Sie meine Eltern hören, meine Mutter. Ich soll nicht gehen. Warum denn nicht, ist doch ein anständiger Ball, und man will sich doch auch mal amüsieren, was hat man denn vom Leben. Nee, du kommst nicht weg, ist so schlechtes Wetter, und der Vater ist krank. Und ich geh doch weg. Da hab ich solche Keile gekriegt, ist das hübsch?« Sie weint, pliert vor sich. »Der ganze Hinterschädel tut einem weh. Jetzt wirst du uns also den Gefallen tun, sagt meine Mutter, und bleibst hier. Das ist doch allerhand. Warum soll ich denn nicht weggehen, ich bin doch 20 Jahr alt, am Sonnabend und Sonntag geh ich weg, sagt meine Mutter, na ja, wenn es nu mal am Donnerstag ist und das Fräulein die Karte hat.« »Wenn Sie wollen, ich kann Ihnen ein Taschentuch geben solange.« »Ach, ich habe schon sechs Stück vollgeweint; Schnupfen hab ich auch, den ganzen Tag weinen, und was soll ich dem Fräulein denn sagen, ich kann doch nicht mit der Backe in den Laden gehn. Ich wollt bloß weggehn, ich möchte auch andere Gedanken haben, mit dem Sepp jetzt, mit Ihrem Freund. Jetzt hab ich ihm geschrieben, es ist aus mit uns, er antwortet mir nicht, nun ists aus.« »Lassen Sie den doch. Den können Sie jeden Mittwoch in der Stadt mit ner andern sehen.« »Ich hab ihn sehr gern. Darum wollt ich weggehen.«
Auf Franzens Bett setzt sich ein Alter mit Schnapsnase. »Mensch, mach doch die Oogen uff, mir kannste doch hören. Ich schieb ooch son Ball. Home, sweet home, weeßte, süßes Heim, det is for mir unter die Erde. Wenn ich nicht zu Hause bin, will ick unter die Erde. Die Mikrozephalen wollen mir zum Troglodyten machen, Höhlenwesen, in diese Höhle soll ich wohnen. Du weeßt doch, wat ein Troglodyt ist, das sind wir, wacht auf, Verdammte dieser Erde, die stets man noch zum Hungern zwingt, als Opfer seid ihr gefallen im Kampf, in heiliger Liebe zum Volke, ihr gabt euer Alles hin für das Volk und Leben und Glück und Freiheit. Det sind wir, Mensch. In prunkvollen Räumen schmaust der Despot, die Unrast im Wein ersaufend, doch drohende Zeichen schreibt eine Hand schon längst auf der üppigen Tafel. Ick bin Autodidakt, wat ich gelernt hab, hab ich
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