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Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Titel: Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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die frühere, wo ich die Sachen abgeholt habe, von der Karlstraße.« »Beim Zirkus die. Mit die mußt du nich kommen.«
    Franz bückt sich geheimnisvoll vor: »Das war eine Rednerin, Lina, wie sie im Buche steht.« »Ausgeschlossen. Kommt in meine Stube, wo ich noch im Bett liege, und will mir den Koffer rausholen wegen einem Monat.« »Schön, Lina, hör doch mal zu, war nicht schön von ihr. Aber wie ich oben war und frage, wie es mit dem Koffer ist, hat die angefangen.« »Den Quatsch von die kenn ich. Da hab ich gar nicht erst zugehört. Franz, von so eine mußte dir nicht einseifen lassen.« »Angefangen sage ich dir! Lina, von Paragraphen, Gesetzbuch Bürgerliches, und wie sie ne Rente rausgequetscht hat für ihren toten Ollen, wo der alte Placker nen Schlaganfall gehabt hat, was gar nich mitm Krieg zu tun hat. Seit wann hat ein Schlaganfall mitm Krieg zu tun. Sagt sie selbst. Aber hat es durchgesetzt, mit ihrem Kopf. Die hat Geist, Dicke. Was die will, setzt sie durch, das ist mehr als die paar Pfennige verdienen. Da zeigst du, was du bist. Da kriegst du Luft. Mensch, ich bin noch immer platt.« »Gehst du noch immer rauf bei die?« Franz winkt mit beiden Händen ab: »Lina, geh du mal da rauf. Willst einen Koffer abholen, um elf bist du da pünktlich, um zwölf hast du was vor, und um dreiviertel eins stehst du noch immer da. Sie redet, redet dir, und den Koffer hast du noch immer nich, und vielleicht ziehst du nachher ohne Koffer ab. Die kann reden.«
    Er sinnt über der Tischplatte, malt mit dem Finger in einer Bierpfütze: »Ich melde mir irgendwo und handle Zeitungen. Das ist was.«
    Sie bleibt sprachlos und leicht beleidigt. Franz tut, was er will. Eines Mittags steht er am Rosenthaler Platz, sie bringt ihm Stullen, da haut er um zwölf ab, drückt ihr den Kasten mit dem Ständer und den Pappkarton unter die Arme und geht sich nach Zeitungen erkundigen.

    Empfiehlt ihm zuerst ein älterer Mann am Hackeschen Markt vor der Oranienburger Straße, sich um sexuelle Aufklärung zu kümmern. Sie wird jetzt in großem Maßstabe betrieben und geht ganz gut. »Was ist sexuelle Aufklärung?« fragt Franz und mag nicht recht. Der Weißkopf zeigt auf seinen Aushang: »Ansehen, he, dann fragst du nicht.« »Das sind nackte Mädels, gemalt.« »Anders hab ich sie nicht.« Sie qualmen schweigend nebeneinander. Franz steht, begafft die Bilder von oben und unten, pafft in die Luft, der Mann sieht an ihm vorbei. Franz faßt ihn ins Auge: »Sag mal, Kollege, macht dir denn das Spaß, die Mädels da, und sone Bilder? Lachendes Leben. Da malen sie nu n nacktes Mädchen rauf mitm kleinen Kätzchen. Was die nun mitm kleinen Kätzchen soll auf der Treppe. Verdächtige Nudel. Stör dir wohl, Kollege?« Der atmet auf seinem Klappstuhl ergeben aus und sinkt in sich: gibt Esel, die sind turmhoch, wie die richtigen Kamele, die laufen am hellen Mittag am Hackeschen Markt herum und stellen sich noch vor einen hin, wenn man Pech hat, und quasseln eine Naht. Als der Weißkopf schweigt, nimmt sich Franz ein paar Hefte von den Klammern: »Ich darf doch mal, Kollege. Wie heißt das, Figaro. Und das, Die Ehe. Und das ist die Idealehe. Das ist nun wieder was anderes als die Ehe. Die Frauenliebe. Alles separat zu haben. Da kann man sich ja schön informieren. Wenn man Geld zu hat, aber mächtig teuer. Und istn Haken bei.« »Möcht ich wissen, was da fürn Haken bei sein soll. Da ist alles erlaubt. Da ist nischt verboten. Was ich verkaufe, da hab ich Genehmigung für und da ist kein Haken bei. Von so was lass ich die Finger.« »Kann dir sagen, will dir ja bloß sagen, Bilder ankieken ist nichts. Davon kann ich dirn Lied singen. Das verdirbt einen Mann, jawoll, das verpfuscht dich. Mit Bilderankieken fängt es an, und nachher, wenn du willst, dann stehst du da, dann gehts nicht mehr auf natürliche Art und Weise.« »Versteh ich nicht, was heißt das. Und spuck mir nicht auf meine Hefte, kosten teures Geld, und nicht immer am Deckel rumfummeln. Hier lies mal: Die Ehelosen. Gibts alles, extra ne Zeitschrift für.« »Ehelose, nanu, soll es die nicht geben, bin ja auch nicht verheiratet mit de polnische Lina.« »Na also, hier: was da steht, ob das nicht richtig ist, ist bloß ein Beispiel: Das Sexualleben der beiden Ehegatten durch einen Vertrag regeln wollen, diesbezüglich eheliche Pflichten zu dekretieren, wie es das Gesetz vorschreibt, bedeutet die scheußlichste und entwürdigendste Sklaverei, die man sich nur denken kann. Na?«

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