Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Titel: Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
Vom Netzwerk:
sicheres unschädliches Mittel. Beweis: ich selbst. Freiheit für die Liebe auf der ganzen Front. –
    Ein sternklarer Himmel blickte auf die dunklen Stätten der Menschheit. Schloß Kerkauen lag in tiefer nächtlicher Ruhe. Doch ein blondlockiges Weib wühlte das Haupt in die Kissen und fand keinen Schlaf. Morgen, schon morgen wollte ein Liebes, ein Herzliebstes sie verlassen. Ein Flüstern ging (lief) durch die finstere, undurchdringliche (dunkle) Nacht: Gisa, bleibe mir, bleibe mir (geh nicht weg, fahr nicht fort, fall nicht hin, bitte, setzen Sie sich). Verlaß mich nicht. Doch die trostlose Stille hatte weder Ohr noch Herz (noch Fuß noch Nase). Und drüben, nur durch wenige Mauern getrennt, lag ein blasses, schlankes Weib mit geöffneten Augen. Ihre dunklen, schweren Haare lagen wirr auf der Seide des Bettes (Schloß Kerkauen ist berühmt für seidene Betten). Schauer der Kälte durchbebten sie. Ihre Zähne schlugen wie in tiefem Frost aufeinander, Punkt. Sie aber rührte sich nicht, Komma, zog nicht die Decke fester über sich, Punkt. Regungslos lagen ihre schlanken, eiskalten Hände (wie in tiefem Frost, Schauer der Kälte, schlankes Weib mit geöffneten Augen, berühmte Seidenbetten) darauf, Punkt. Ihre glänzenden Augen irrten flakkernd im Dunkeln umher, und ihre Lippen bebten, Doppelpunkt, Gänsefüßchen, Lore, Gedankenstrich, Gedankenstrich, Lore, Gedankenstrich, Gänsefüßchen, Gänsebeinchen, Gänseleber mit Zwiebel.

    »Nee, nee, mit dir geh ich nich, Franz. Bei mir biste abgemeldet. Kannst dir dünne machen.« »Komm, Lina, ich geb ihm ja seinen Mist wieder.« Und als Franz sich den Hut abnahm und auf die Kommode legte – es war in ihrer Stube – und einige überzeugende Griffe nach ihr tat, kratzte sie ihm erst die Hand und weinte, dann zog sie mit Franzen ab. Sie nahmen jeder zur Hälfte die fraglichen Zeitschriften und näherten sich der Kampffront auf der Linie Rosenthaler Straße, Neue Schönhauser Straße, Hackescher Markt.
    Im Kriegsgebiet machte Lina, die herzige, schlampige, kleine, ungewaschene, verweinte, einen selbständigen Vorstoß à la Prinz von Homburg: Mein edler Oheim Friedrich von der Mark! Natalie! Laß, laß! O Gott der Welt, jetzt ists um ihn geschehn, gleichviel, gleichviel! Sie rannte spornstracks, schnurstreichs auf den Stand des Weißkopfs. Da brachte es Franz Biberkopf, der edle Dulder, über sich, im Hintergrund zu bleiben. Er stand hintergegründet vor dem Zigarrengeschäft von Schröder Import Export und beobachtete von da, leicht durch Nebel, Elektrische und Passanten gehindert, den Verlauf der angesponnenen Kampfhandlung. Die Helden hatten sich ergriffen, bildlich. Sie tasteten ihre Schwächen und Blößen ab. Hingepfeffert und gesalzen hat Lina Przyballa aus Czernowitz, des Landbebauers Stanislaus Przyballa einzige eheliche Tochter – nach zwei nur zur Hälfte gediehenen Frühgeburten, welche beide auch Lina hatten heißen sollen –, hat Fräulein Przyballa das Zeitungspaket. Das Weitere ging im Getöse des Straßenverkehrs verloren. »Die Kruke, die Kruke«, so stöhnte bewundernd der freudig behinderte Dulder Franz. Er näherte sich als Reservearmee dem Zentrum der Kampfhandlung. Da lachte ihn schon vor der Destille von Ernst Kümmerlich die Heldin und Siegerin an, Fräulein Lina Przyballa, schlampig aber wonnevoll, kreischte: »Franz, der hats!«
    Franz wußte es schon. Im Lokal sank sie ihm stehenden Fußes an die Körpergegend, die sie für sein Herz hielt, die aber unterhalb seines Wollhemdes genauer sein Brustbein und der Oberlappen der linken Lunge war. Sie triumphierte, als sie den ersten Gilka runtergoß: »Und denn, seinen Mist kann er sich auf de Straße zusammensuchen.«
    Nun, o Unsterblichkeit, bist du ganz mein, Lieber, was für ein Glanz verbreitet sich, Heil, Heil, dem Prinz von Homburg, dem Sieger in der Schlacht von Fehrbellin, Heil! (Hofdamen, Offiziere und Fackeln erscheinen auf der Rampe des Schlosses.) »Noch een Jilka.«

Hasenheide, Neue Welt, wenns nicht das eine ist,
ist es das andere, man muß sich das Leben nicht
schwerer machen als es ist
    Und Franz sitzt bei Fräulein Lina Przyballa in der Stube, lacht sie an: »Weeßt du, Lina, was eine Lageristin ist?« Er gibt ihr einen Puff. Die gafft: »Na, die Fölsch, die ist doch Lageristin, die muß Platten raussuchen bei dem Musikfritzen.« »Mein ich nich. Wenn ich dir einen Schups gebe und du liegst aufm Sofa und ich daneben, dann bist du ne Lageristin und ich der Lagerist.« »Ja, so

Weitere Kostenlose Bücher