Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)
einen Hand eine Tasse Kaffee, in der anderen Zitronenlimonade mit einem großen Zinnlöffel. Damit setzte er sich wieder an den Tisch, nahm mal einen Schluck Kaffee, mal einen Limonade. Franz hielt ihn mit den Augen fest. Was der Kerl für traurige Augen hat. Gesessen wird der auch schon haben; kommt mal her, paßt auf, der denkt jetzt auch, ich hab gesessen. Stimmt, mein Junge, haben wir, Tegel, vier Jahr, jetzt weißt du es, na, was ist nu?
Weiter war an dem Abend nichts. Aber Franz ging jetzt öfter in die Prenzlauer Straße und schmiß sich an diesen Mann in dem alten Soldatenmantel ran. Das war ein feiner Junge, bloß stotterte mächtig, es dauerte lange, bis er was raushatte, darum machte er auch so große flehentliche Augen. Es kam heraus, daß er noch nicht gesessen hatte, bloß einmal war er politisch gewesen, eine Gasanstalt beinah in die Luft gesprengt, sie waren verpfiffen worden, aber ihn haben sie nicht gekriegt. »Und was machst du jetzt?« »Obsthandeln und so. Helfen. Wenns nicht geht, stempeln.« In eine dunkle Gesellschaft war Franz Biberkopf geraten, die meisten hier handelten merkwürdigerweise »Obst«, machten gute Geschäfte dabei, der Kleine mit dem krebsroten Gesicht versorgte sie, der war ihr Grossist. Franz hielt sich von ihnen in Entfernung, aber auch sie von ihm. Er wurde aus der Sache nicht klug. Er sagte sich: lieber Zeitungshandel.
Schwunghafter Mädchenhandel
Eines Abends kommt der im Soldatenmantel, Reinhold hieß er, mehr ins Sprechen oder Stottern, es ging rascher und glatter damit, er schimpfte über Weiber. Franz lachte sich einen Ast, der Junge nahm die Weiber wirklich ernst. Das hätte er von dem nicht vermutet; da hat der auch einen Stich, hier hatten alle einen Stich, der eine da, der andere da, ganz richtig war keiner. Der Junge war in die Frau eines Kutschers verliebt, eines Mitfahrers von einer Brauerei, sie war seinetwegen dem Mann schon weggelaufen, und das Kreuz war, jetzt wollte sie Reinhold gar nicht mehr. Franz röchelte vor Vergnügen durch die Nase, der Junge war zu komisch: »Laß die doch loofen.« Der stotterte und machte fürchterliche Augen: »Das ist doch so schwer. Die Weiber verstehen nicht, man kanns ihnen schriftlich geben.« »Na, hast es ihr denn aufgeschrieben, Reinhold?« Der stotterte, spuckte und wand sich: »Gesagt hundertmal. Sie sagt, sie verstehs nicht. Ich muß wohl verrückt sein. So was versteht sie nicht. Dann muß ich sie also, bis ich krepiere, behalten.« »Na vielleicht.« »Sagt sie auch.« Franz lachte kolossal, Reinhold ärgerte sich: »Mensch, sei doch nicht so dämlich.« Nein, das ging Franz nicht ein, ein so kesser Junge, mit Dynamit ins Gaswerk, und jetzt sitzt er da und bläst den Trauermarsch. »Nimm sie mir ab«, stotterte Reinhold. Franz schlug vor Spaß auf den Tisch: »Und was mach ich mit der?« »Na, du kannst sie ja laufen lassen.« Da war Franz entzückt: »Dir tu ich den Gefallen, auf mir kannste dich verlassen, Reinhold, aber – dich werden sie noch in Windeln legen.« »Kuck sie dir mal erst an, und dann sag du.« Sie waren beide zufrieden.
Die Fränze tanzte dann am nächsten Mittag bei Franz Biberkopf an. Wie er hörte, sie heiße Fränze, freute er sich gleich; da paßten sie ja schön zusammen, er heißt nämlich Franz. Sie sollte von Reinhold dem Biberkopf ein Paar derbe Schuhe bringen; das ist sein Judaslohn, lachte Franz innerlich, zehn Schillinge. Daß sie mir das auch noch selbst bringt! Der Reinhold ist doch ein freches Luder. Und ein Lohn ist den andern wert, dachte er, ging mit ihr am Abend Reinhold suchen, der war vorschriftsmäßig nicht zu finden, darauf Wutausbruch bei Fränze und Beruhigungsgesang zu zweit in seiner Stube. Am nächsten Morgen schon erschien die Kutschersfrau bei Reinhold, der nicht mal stotterte: Nee, er soll sich man keine Mühe geben, sie braucht ihn nicht, sie hat einen andern. Aber wer es ist, das sagt sie ihm noch lange nicht. Und kaum ist sie raus, erscheint Franz bei Reinhold mit seine neuen Stiefeln, die nicht mehr zu groß sind, weil er zwei Paar Wollstrümpfe trägt, und sie liegen sich in den Armen und klopfen sich die Rücken. »Ich werde dir doch einen Gefallen tun«, lehnte Franz alle Ehrenbezeigungen ab.
Diese Kutschersfrau hatte sich auch im Schwung in Franz verliebt, sie besaß ein elastisches Herz, wovon sie bis dato noch keine Kenntnis besaß. Er freute sich drüber, daß sie sich im Besitz dieser neuen Kraft fühlte, denn er war Menschenfreund und
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