Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)
ist aber ein glücklicher Sonntag, so was läuft einem nicht bald zwischen die Finger, das ist also doch wahr, die Glocken bedeuten was, jetzt werde ich einstreichen, na, am Sonntag fuffzehn Märker oder zwanzich, was habe ich eigentlich für Unkosten. Und freut sich, die Karte von dem Postfritzen knistert in seiner Tasche, vor der Haustür will er sich von Pums verabschieden. Da staunt der: »Nanu, ich denke, es ist abgemacht, Biberkopf.« »Ist ooch, ist ooch, auf mir ist Verlaß. Ick muß bloß rüber, wissen Sie, hähä, ich hab doch ne Braut, die Cilly, Sie kennen sie vielleicht von Reinhold, früher hat der ihr gehabt. Ich kann doch das Mädchen nicht den ganzen geschlagenen Sonntag alleen aufm Bau lassen.« »Nein, Biberkopf, ich kann Sie jetzt nicht weglassen, nachher zerschlägt sich alles, und ich steh da. Nein, wegen Weibersachen, so was, Biberkopf, das geht nicht, werden uns damit nicht das Geschäft verderben. Die läuft Ihnen nicht weg.« »Det weeß ick, da haben Se mal een wahres Wort gesagt, auf die kann ick mir verlassen. Aber gerade darum. Da werd ick ihr doch nicht sitzen lassen, und sie hört nischt und sieht nischt und weiß nischt. Was ich mache.« »Nun kommen Sie man, das findt sich schon.«
»Was mach ick?« dachte Franz. Sie gingen. Wieder die Ecke Prenzlauer Straße. Es standen schon hier und da Straßenmädchen, dieselben, die Cilly nach einigen Stunden sehen wird, als sie Franz sucht und sucht und herumirrt. Die Zeit rückt vor, es sammelt sich um Franz allerhand; er wird bald auf einem Wagen stehen, man wird ihn anfassen. Jetzt denkt er, wie er die Postkarte von dem verrückten Kerl rasch befördern kann und wie noch einen Moment rasch zu Cilly rauf, das Mädel wartet.
Er geht mit Pums in der Alten Schönhauser Straße zum Seitenflügel rauf, da ist sein Kontor, sagt Pums. Es ist auch Licht oben, die Stube sieht richtig aus wie ein Kontor mit Telephon, Schreibmaschinen. Ne ältere Frau mit strengem Gesicht kommt öfter in die Stube, wo Franz mit Pums sitzt: »Das ist meine Frau, Herr Franz Biberkopf, der will heute mal mitmachen.« Die geht raus, als wenn sie nichts gehört hat. Franz liest, während Pums an seinem Schreibtisch herumarbeitet und nur mal was nachsehen will in einer B. Z., die auf dem Stuhl liegt: 3000 Seemeilen in einer Nußschale von Günther Plüschow, Ferien und Linienläufe, Lania »Konjunktur«, Piskatorbühne im Lessingtheater. Piskator selbst hat die Regie. Was ist Piskator, was Lania? Was Enveloppe und was Inhalt, also Drama? Keine Kinderehen mehr in Indien, ein Friedhof für preisgekröntes Vieh. Kleine Chronik: Bruno Walter dirigiert sein letztes Konzert in dieser Saison Sonntag, 15.April, in der Städtischen Oper. Das Programm bringt die Es-Dur-Sinfonie von Mozart, der Reinertrag ist für den Fonds des Gustav-Mahler-Denkmals in Wien bestimmt. Kraftwagenfahrer verh., 32 Jahr, Fahrschein 2 a, 3 b, sucht Stellung auf Privatgeschäft oder Lastwagen.
Herr Pums sucht auf dem Tisch Streichhölzer für seine Zigarre. Da öffnet die ältere Frau eine Tapetentür, und drei Männer kommen langsam rein. Pums sieht nicht auf. Das sind nun alles Pums’ Leute, Franz schüttelt ihnen die Hand. Das Weib will wieder raus, da winkt Pums Franzen: »Sie, Biberkopf, Sie wollten doch einen Brief besorgt haben? Na, Klara, besorgs mal.« »Das ist aber hübsch von Sie, Frau Pums, wollen Sie mir wirklich den Gefallen tun? Also, ein Brief ist nicht, bloß die Karte, und dann an meiner Braut« – Und er sagt genau, wo er wohnt, schreibts auf ein Geschäftskuvert von Pums, und man soll der Cilly sagen, sie soll sich keine Sorge machen, und er kommt so um 10, und dann noch die Karte –
So, nu ist alles in Butter, er ist ordentlich erlöst. Das magere böse Aas liest in der Küche das Kuvert, steckt es in das Feuer; den Zettel zerknautscht sie, schmeißt ihn in den Müllkasten. Dann kuschelt sie sich an den Herd, trinkt ihren Kaffee weiter, denkt an nichts, sitzt, trinkt, es ist warm. Und Biberkopfs Freude ist stürmisch, als nu noch anschliddert mit ner Schiebermütze, in der grünen dicken Soldatenkluft – wer denn? Wer hat denn solche Senkgruben im Gesicht? Wer latscht, als wenn er immer ein Bein nach dem andern aus dem dicken Lehm zieht? Na, Reinhold. Da fühlt sich Franz zu Hause. Na, das ist fein! Mit dir mach ich mit, Reinhold, kann kommen, was da will. »Wat, du machst mit?« Reinhold nöselt, latscht rum. »Dat is mal n Entschluß von dir.« Und dann fängt Franz an, von
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