Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Titel: Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
Vom Netzwerk:
Heute am Sonntag, bei son Wetter, da loofen nicht viele.« »Richtig, richtig. Ich loofe den halben Tag. Und kommt nischt ein, kommt nischt ein. Die Leute sind knapp bei Geld heute.« »Was handeln Sie, Herr Nachbar, wenns erlaubt ist?« »Ich habe meine kleine Rente. Ich wollte nu mal, sehen Sie, ein freier Mann sein, arbeiten, mein Geld verdienen. Na, seit drei Jahren hab ich meine Pension, solange war ich bei der Post, und nu loof ick und loof ick. Also: ich lese in der Zeitung, und dann geh ich hin und seh mir an, was die Leute anzeigen.« »Vielleicht Möbel?« »Was es gibt, gebrauchte Büromöbel, Bechsteinflügel, olle Perserteppiche, Pianolas, Briefmarkensammlungen, Münzen, Nachlaßgarderobe.« »Sterben viele Leute.« »Janzer Schock. Na, dann geh ich rauf un seh mir an, und dann koof ich ooch.« »Und dann verkoofen Sie weiter, versteh.«
    Darauf verstummte der Asthmatiker wieder, drückte sich in seinen Mantel, sie schlenderten durch den sanften Schnee. Da holte an der nächsten Laterne der dicke Asthmatiker ein Pack Postkarten aus seiner Tasche, sah Franzen betrübt an, drückte ihm zwei in die Hand: »Lesen Sie, Herr Nachbar.« Auf der Karte stand: »P. P. Datum des Poststempels. Zu meinem Bedauern muß ich von der gestern getroffenen Abmachung widriger Umstände wegen zurücktreten. Hochachtung. Bernhard Kauer.« »Kauer heißen Sie?« »Ja, ist mit einem Kopierapparat abgezogen. Den hab ich mir mal gekooft. Dat ist das einzige, was ich mir gekooft habe. Da mach ich mir die Abzüge alleine mit. Bis fuffzich kann man in der Stunde machen von.« »Wat Sie sagen. Na, wat soll denn det nu eigentlich.« Der Kerl ist nicht richtig im Oberstübchen, klappert auch so mit die Augen. »Lesen Sie doch: zurücktreten wegen widriger Umstände. Ich koofe und kanns dann nicht bezahlen. Ohne Bezahlung gebens die Leute nicht raus. Kann man ihnen ooch nicht verdenken. Und immer wieder loofe ich rauf und koofe und mache ab und freue mir, und die Leute freuen sich ooch, weil das Geschäft so glatt ging, und ich denk mir, was hab ich fürn Schwein, so schöne Sachen gibts, herrliche Münzensammlungen, könnt Sie was erzählen, Leute, die mit einmal kein Geld haben, und da komm ick ruff, seh mir alles an, und die erzählen mir auch gleich, was los ist, was det für ein Elend unter die Leute ist, wenn sie bloß ein paar Pfennig unter die Finger kriegten, bei Sie im Haus hab ich ooch was gekooft, die Leute habens so nötig, ne Wringmaschine und einen kleinen Eisschrank, freuen sich, wenn sie ihn los sind. Und dann geh ich runter, möchte ja ooch so gerne alles koofen, aber unten, da krieg ich dann die dicken Sorgen: keen Geld und keen Geld.« »Und für Absatz haben Sie doch woll eenen, der Ihnen das Zeug abnimmt.« »Lassen Sie man gut sein. Da hab ich mir die Kopiermaschine gekooft, da zieh ich mir die Postkarten ab. Fünf Pfennig kost mich jede Postkarte, das sind noch Spesen. Und denn Schluß und Punkt.«
    Franz machte Riesenaugen: »Da platzen mir die Strümpe, Herr Nachbar. Det kann doch nich Ihr Ernst sein.« »Die Spesen, die – verringere ich manchmal, da spar ich fünf Pfennig und schmeiß gleich beim Rausgehen meine Karte den Leuten in ihren Briefkasten.« »Und loofen sich die Beene ab und haben knappe Luft, und wofür denn aber?«
    Sie waren am Alexanderplatz.
    Da war ein Auflauf, sie traten heran. Der Kleine sah zu Franz wütend auf: »Da leben Sie mal von fünfundachtzig Mark in Monat und kommen nicht weiter.« »Aber Mensch, Sie müssen sich um den Absatz bekümmern. Wenn Sie wollen, werde ich mir mal erkundigen bei meine Bekannten.« »Quatsch, hab ich Sie gar nicht beauftragt, ich mach meine Geschäfte alleene, mach keine Kompaniegeschäfte.« Sie waren mitten im Auflauf, es war eine gewöhnliche Schimpferei. Franz suchte den kleinen Mann, der war weg, verschwunden. Looft der weiter so rum, staunte Franz, ich bin platt wie ne Flunder. Wo ist denn nu bloß mein Unglück passiert? Er trat in eine kleine Kneipe, nahm einen Kümmel, blätterte im Vorwärts, Lokalanzeiger. Steht ooch nich mehr drin als in der Mottenpost, gibt da ein großes Rennen in England, Paris auch; vielleicht haben sie da mächtig auszahlen müssen. Kann ooch ein großes Glück gewesen sein, wenn einem die Ohren so klingen.
    Und ist im Begriff, nach Hause zu gehen und kehrt zu machen. Da muß er mal über den Damm und sehen, was im Gedränge los ist. Die große Bockwurst mit Salat! Hier, junger Mann, die große Bockwurst. Montag Morgen,

Weitere Kostenlose Bücher