Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)
der Keilerei auf dem Alex zu erzählen, und wie er dem langen Emil geholfen hat. Die hören gierig zu, die vier, Pums schreibt noch immer, sie stoßen sich an, dann tuscheln sie zu zweit. Einer beschäftigt sich immer mit Franzen.
Um 8 Uhr geht die Fahrt los. Alle sind stark eingemummt, auch Franz kriegt einen Mantel. Er meint und strahlt, den möchte er gern behalten, und die Krimmermütze, Donnerwetter. »Warum nicht«, sagen die, »mußt sie dir verdienen.«
Es geht los, stockfinster ist es draußen und ein furchtbarer Matsch. »Wat machen wir denn?« fragt Franz, wie sie auf der Straße stehen. Sie sagen: »Erst ein Auto haben oder zwei Autos. Und dann die Ware, Äppel und wat es gibt, die holen wir ab.« Sie lassen viele Autos vorbei, an der Metzer Straße stehen zwei, die nehmen sie, und dann rin und los.
Die beiden Autos fahren hintereinander gut ne halbe Stunde, im Dustern wird man aus der Gegend nicht klug, kann Weißensee sein oder Friedrichsfelde. Die Jungs sagen: der Alte will wohl erst was besorgen. Und dann halten sie vor einem Haus, es ist eine breite Allee, vielleicht ist es auch Tempelhof, die andern sagen, sie wissens ooch nich, sie geben mächtig Qualm.
Reinhold sitzt in diesem Auto neben Biberkopf. Was hat dieser Reinhold jetzt für ne andere Stimme! Er stottert nicht, spricht laut, sitzt straff wie ein Hauptmann; der Junge lacht sogar, die andern im Wagen hören auf ihn. Franz hat ihn unterm Arm: »Na, Junge, Reinhold (er flüsterts ihm in den Nakken unter den Hut), na, was sagste zu mir? Hab ich nicht recht gemacht mit die Weiber? Junge, was?« »Na ob, alles gut, alles gut.« Reinhold klatscht ihm auf das Knie; einen Schlag hat der Junge, was sagt man, hat der Junge eine Faust! Franz prustet: »Werden wir uns wegen ein Mädel uffregen, wat. Die müßte erst geboren werden, wat?«
Das Leben in der Wüste gestaltet sich oft schwierig.
Die Kamele suchen und suchen und finden nicht, und eines Tages findet man die gebleichten Knochen.
In einem Zuge fahren jetzt die beiden Autos, wie Pums mit einem Koffer wieder eingestiegen ist, durch die Stadt. Es ist knapp neun, da halten sie am Bülowplatz. Und jetzt gehen sie zu Fuß, getrennt, immer zwei und zwei. Sie gehen unter dem Stadtbahnbogen durch. Franz sagt: »Da sind wir ja bald an der Markthalle.« »Schon; aber erst abholen und dann rüberbringen.«
Plötzlich sind die vorderen nicht mehr sichtbar, es ist an der Kaiser-Wilhelm-Straße, dicht an der Stadtbahn, und dann ist Franz mit seinem Begleiter auch in einem schwarzen offenen Hausflur verschwunden. »Hier ists«, sagt der neben Franz, »die Zigarre kannste jetzt wegschmeißen.« »Warum denn?« Der preßt ihm den Arm, reißt ihm die Zigarre aus dem Mund: »Weil ick et sage.« Der ist über den dunklen Hof weg, ehe Franz was machen kann. Verstehste det, verstehste det, lassen einen im Dustern stehen, wo stecken die denn? Und wie Franz über den Hof tapert, blitzt schon eine Taschenlampe vor ihm auf, er ist geblendet, das ist Pums. »Sie, Sie, wat wollen Sie denn? Sie haben hier nichts zu suchen, Biberkopf, Sie stehen vorn, Sie passen auf. Gehen Sie zurück.« »Nanu, ich denk, ich soll abholen?« »Quatsch, gehen Sie zurück, hat Ihnen denn keiner was gesagt?«
Das Licht geht aus, Franz tapert zurück. Es zittert was in ihm, er schluckt: »Was ist det hier, wo stecken die nur hier?« Er steht schon an der vorderen Haustür, da kommen von hinten zwei an – Raub und Mord, die klauen, die brechen ein, ich will hier weg, weg von hier, eine Eisbahn, eine Rutschbahn, und weg in einem Bogen, auf dem Wasser bis zum Alexanderplatz – die halten ihn, einer ist Reinhold, der hat eine eiserne Klaue: »Hat man dir nischt gesagt? Hier stehste, paßt auf.« »Wer, wer sagt det?« »Mensch, quatsch nich, wir sind im Druck. Haste denn keen Grips; stell dir man nich. Jetzt stehste und pfeifst, wenn was ist.« »Ick...« »Halts Maul, Mensch«, und ein Hieb saust auf Franzens rechten Arm, daß er sich krümmt.
Franz steht allein im schwarzen Hausflur. Er zittert wirklich. Wat steh ich hier? Die haben mir richtig reingelegt. Der Hund hat mir gehauen. Die klauen hinten, wer weiß, was die klauen, das sind doch keene Obsthändler, das sind Einbrecher. Die lange Allee schwarzer Bäume, das eiserne Tor, nach dem Einschluß haben sich sämtliche Gefangenen zur Ruhe zu begeben, im Sommer ist es ihnen gestattet, bis zur Dunkelheit aufzubleiben. Das ist eine Kolonne, Pums kommandiert. Soll ich weg, soll ich
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