Berlin Fidschitown (German Edition)
zurück.“
„Schlage dort zu, wo der Feind es nicht vermutet“, fasste Rojana seine Erkenntnis zusammen.
„So ist es, Tony.“
10
Als Farang bei Wat Arun an Land ging, sah er kurz auf die Armbanduhr.
Das Express-Boot, das er normalerweise nahm, dümpelte nahe der Memorial Bridge mit Motorschaden am Ufer, und so hatte er ein Speedboat anheuern müssen, um die Verspätung in Grenzen zu halten. Das helle Dröhnen des Zwölfzylinders klang ihm noch im Ohr, als er den Tempel der Morgendämmerung passierte. Wie gewohnt wanderte sein Blick über die glitzernden Porzellanscherben, die das Gemäuer zierten, während die Ruhe langsam auch auf ihn übergriff.
Der Fahrer, ein Hauptmann im Ruhestand, wartete bereits neben der Limousine des Generals. Der Jaguar glänzte wie frisch poliert. Farang brachte die letzten Meter im Laufschritt hinter sich und zog dabei die Anzugjacke über und den Krawattenknoten fest. Der Fahrer nickte zufrieden und riss die Tür zum Fond auf.
Die Fahrt war kurz. Man hätte die Entfernung auch zu Fuß zurücklegen können, aber General Watana bestand auf seinen Ritualen. Als sie eintrafen, stand er vor dem Freiluftkäfig im Garten seines Anwesens und musterte seinen Lieblingspapagei.
„Ich liebe dich“, krächzte der Vogel.
Der General lächelte milde.
Der Papagei legte den Kopf zur Seite. Da kein Beifall kam, tänzelte er über die Käfigstange näher zum Gitter, schimpfte „Schlafmütze“ und wetzte seinen Schnabel.
Watana gab sich amüsiert.
Auch Farang musste schmunzeln. Der alte Mann hatte dem Federvieh Lao beibringen wollen. Leider hatte der Vogel keinerlei Fortschritte gemacht. Und so hatte der General die Ausbildung an Farang abgegeben, um es mit Deutsch zu versuchen.
Vom nahen Fluss klang beruhigend das Tuckern der Schlepper herüber, die ihre Lastkähne vorbeizogen. Nur gelegentlich gellte der frisierte Motor eines Schnellbootes durch die Vormittagsstille von Thonburi. Durch den Blätterwald der Tropenpflanzen gedämpft, fiel Sonnenlicht in den Garten. Und während über dem Karpfenteich mit den wild wuchernden Lotosblüten eine Wolke Stechmücken hing, verharrten die restlichen vierzehn Papageien stumm und wie in Trance im Geäst des Käfigs. Sogar der langhaarige Affe mit den hellgrauen Augen dämmerte im Halbschlaf hinter seinen Gitterstäben und schien zu überlegen, ob er seine Banane schälen, oder die dafür nötige Energie für kühlere Tageszeiten aufsparen solle.
„Wie geht es dir, mein Sohn?“
Der alte Herr wandte sich seinem Besucher zu und wartete, bis Farang ihn mit der gebotenen Höflichkeit – einem stummen, von einer ehrfürchtigen Verbeugung begleiteten Wai – begrüßt hatte.
„Gut, Pa, ausgezeichnet.“ Farang lächelte. „Und wie geht es Mutter?“ Diese Frage war fester Bestandteil des wöchentlichen Besuchsrituals. Mutter war die letzte Frau des Alten gewesen. Jeder wusste, dass sie schon lange tot war. Aber niemand wagte es, dem General, der seine verstorbene Hauptfrau nach wie vor für anwesend erklärt hatte, zu widersprechen.
„Sie lässt sich entschuldigen. Es geht ihr heute nicht so gut“, richtete Watana besorgt aus.
„Grüße sie bitte von mir, und wünsche ihr gute Besserung.“
„Danke, mein Sohn. Du weißt, sie schätzt dich, und freut sich über jeden Besuch, den du mir abstattest. Komm ...“
Sie gingen auf die Veranda und nahmen Platz.
Farang schaute dem Fahrer zu, der inzwischen Gärtnerarbeit verrichtete. Der Hauptmann a.D., die Vögel, der Affe, die Karpfen im und die Mücken über dem Teich waren die einzigen Lebewesen, die den alten Mann täglich umgaben – die Geckos im Haus nicht zu vergessen. Und über allem schwebte die Witwe. Die Hartnäckigkeit, mit der Pa sie in Ehren hielt, ließ die Nebenfrauen vergessen, mit denen sie sich zu Lebzeiten hatte abfinden müssen. Sie hatte Stil bewiesen, und der Alte dankte es ihr auf diese Weise.
Farangs Mutter war leider nur eine der Nebenfrauen gewesen, und bedauerlicherweise war der General auch nicht sein Vater, auch wenn der Alte immer für seine Nebenfrau und selbst für deren Sohn gesorgt hatte. Was man von Herrn Meier nicht gerade sagen konnte. Sein leiblicher Vater hatte Mutter nie geheiratet. Trotzdem hatte Farang auch als Unehelicher, stets trotzig auf dem deutschen Familiennamen bestanden, obwohl er offiziell für eine ganze Weile mit Otrakul, dem Nachnamen seiner Mutter, vorlieb nehmen musste. Jahre später hatte er wütend seinen Pass verbrannt und für die
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