Berlin Fidschitown (German Edition)
Die ganzen Stufen. Und das bei der Hitze.
11
Romy Asbach stieg vor dem „Sukhothai“ aus dem Opel, ignorierte die Berliner Winterkälte und freute sich auf das Essen.
Diese Vorfreude konnte auch der Anblick des schwarzen Jeep Cherokee nicht dämpfen, der am gegenüberliegenden Randstein parkte. Sie versuchte, den Wagen auszublenden. Das Szenario war ihr nur zu gut bekannt. Edgar Wong saß hinter dem Steuer und rauchte Kette, während Henry Sung gelangweilt auf dem Beifahrersitz hockte und stumm und verbissen an seinen Fingern zog und bog, bis die Gelenke knackten. Entweder versuchten die beiden Chinesen nach wie vor den unbeugsamen Gastronom kirre zu machen, oder sie hatten ihn schon so weit und boten ein bisschen Show, absolvierten eine Pseudo-Wachschicht, damit der neue Kunde sich angemessen „beschützt“ fühlte. Sollten sie nur. Es war nicht mehr ihre Zuständigkeit.
„Vorläufig“, sagte sie leise zu sich selbst, um sich Mut zu machen. „Nur vorläufig!“
Sie ging auf das Restaurant zu. Es schneite nicht mehr, und das einzeln stehende Gebäude lag wie ein in Zuckerwatte gepacktes Schwarzwaldhaus zwischen den schwer beladenen Nadelbäumen. Auch das exotische Reklameschild über dem Eingang konnte den urdeutschen Gasthauscharakter nicht mildern. Von außen repräsentierte das „Sukhothai“ noch ganz seinen Wirt und die ehemals „Märkischen Stuben“. Die neue Inneneinrichtung trug hingegen die Handschrift seiner Frau Ay-Mai. Wann immer Romy Asbach das Restaurant betrat, fühlte sie sich sofort zu Hause – wie damals, in Bangkok.
Kaum war sie im Lokal, hatte Theo Runke sie auch schon im Visier und setzte seine Einssiebzig, unterstützt von hundertzehn Kilogramm, in Bewegung, um den ungebetenen Gast rechtzeitig abzufangen. Romy Asbach hatte mit nichts anderem gerechnet. Sie blieb stehen und lächelte dem Dicken mit dem Babygesicht und der Vollglatze mütterlich entgegen. Auf diese Weise konnte sie ihn richtig auf die Palme bringen. Es war immer das gleiche Ritual. Er bemühte sich redlich, ihr den Pitbull zu machen, aber seine Gesichtszüge gaben es nicht her. Er war nur ein freundlicher Rottweiler mit Gewichtsproblemen.
„Ay-Mai ist nicht da“, zischte er.
„Ich bin nur zum Abendessen hier.“
„Ich habe Ihnen doch gesagt, wir wollen Sie hier nicht mehr sehen.“
„Wir?“ Romy Asbach gab sich amüsiert. „Hat deine liebe Frau dir inzwischen eine Alleinvertretungsvollmacht ausgestellt?“ Um ihn zu quälen, erhöhte sie die Lautstärke ein wenig. „Und seit wann siezen wir uns eigentlich, Theo? Ist ja ganz neu.“ Sie schüttelte den Kopf und ging auf einen freien Ecktisch zu.
Runke räusperte sich nervös, warf einen besorgten Blick zu den wenigen deutschen Gästen, die schon so früh am Abend den Weg in sein Lokal gefunden hatten, folgte ihr zum Tisch und zog ihr wie im Reflex den Stuhl zurück.
„Danke.“ Bevor sie Platz nahm, zog sie die Seemannsjacke aus. Er half ihr, brachte die Jacke zum Kleiderständer und kam zum Tisch zurück. Sie sah ihm in die Augen. „Wieder Ärger mit Wong und seiner Truppe?“
Runke bemühte sich um eine verständnislose Miene. „Karte?“
Sie ließ ihn in Ruhe und seufzte. „Wäre zur Abwechslung nicht schlecht. Sonst esse ich schon wieder dasselbe.“
Er ging zur Anrichte, holte eine Speisekarte und überreichte sie, als sei Frau Asbach eine seiner liebsten Gäste. „Singha?“
„Du weißt doch, dass ich im Dienst nicht ...“ Sie brach ab, lachte leise und nickte. „Warum nicht?“
Für einen Augenblick drückte Theo Runkes Blick Mitgefühl aus. „Ich könnte mich auch nicht so leicht an ein Berufsverbot gewöhnen.“
„So weit ist es noch nicht.“ Sie widmete sich der Karte. „Noch heißt es einstweilig .“
Runke nickte nachdenklich, bedeutete der in dezentem Abstand wartenden Bedienung, sich um die Bestellung zu kümmern, und verschwand in der Küche.
Als die junge Thai das Bier brachte, hatte Romy Asbach sich für ein rustikal-scharfes Gericht aus dem siamesischen Nordosten entschieden und gab es unter Einsatz der wenigen Brocken Thai, die sie noch beherrschte, in Auftrag. Das Mädchen wusste die Anstrengung zu schätzen und lächelte besonders herzlich, bevor es sich zurückzog. Für einen Moment sah Romy ihre Freundin vor sich. Genau so hatte auch Ay-Mai sie angelächelt – offen und mit Hingabe. Ihr Blick fiel auf die große Wassermelone, die auf der Anrichte bereitstand. Fleißige Hände hatten ein filigranes Muster in
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