Berlin Fidschitown (German Edition)
die grüne Schale geschnitzt, durch das rotes Fruchtfleisch schimmerte. Die blau-weiße Glasur des chinesischen Porzellantellers, auf dem das Kunstwerk ruhte, rundete das Arrangement mit kühler Eleganz ab. Um den Tellerrand waren Stückchen aus Papaya und Kürbis angeordnet, die ebenfalls liebevoll verziert waren. Der Anblick erfüllte sie mit Sehnsucht nach glücklicheren Tagen in einer fremden Welt. Nie war sie so erfolgreich mit ihrer Arbeit gewesen wie dort, nie verliebter, nie zufriedener. Vielleicht war alles auch nur einfacher gewesen. Aber wenn, dann ganz im Sinne der Thais, für die Zufriedenheit ein hohes Gut war, ganz im Gegenteil zu diesem vermessenen und sehr teutonischen Anspruch, immer gleich glücklich sein zu wollen. Die Deutschen griffen gerne stur nach den kalten Sternen, während die Siamesen fröhlich im warmen Wasser plantschten. Nie war es in Bangkok, in Krung Thep, der Stadt der Engel, auch nur einen einzigen Tag so bitter und kalt gewesen wie hier, in der neuen Hauptstadt Berlin, der Reinkarnation Preußens.
Das Essen aus dem Issan, der ländlichsten und ärmsten Gegend Thailands, wärmte Romy – und wenn es brannte, löschte sie mit Singha-Bier. Sie hatte bereits gezahlt und war im Aufbruch begriffen, als Karl-Montri an ihren Tisch kam. Karl, wie ihn seine Eltern in weiser Selbstbeschränkung hier zu Lande riefen, war der achtjährige Sohn von Ay-Mai und Theo Runke.
„Hallo, Romy.“ Der Junge lächelte und gab ihr einen Kuss.
„Montri-Schatz.“ Sie hatte schon in Bangkok mit ihm gespielt, als er noch ein Baby gewesen war. Sie musterte den Bengel mit Wehmut. Sie mochte ihn. Aber er war auch lebendes Zeugnis einer Entscheidung gegen sie. „Schule okay?“
„Die Schule ist große Scheiße“, antwortete der kleine Eurasier trocken und grinste.
Ja, er grinste. Das war kein authentisches Thailächeln mehr, und seine Ausdrucksweise zeigte, was aus einem siamesischen Knaben aus gutem Elternhaus wurde, wenn er im freien Westen aufwuchs. Der Kuss gab noch Hoffnung, auch wenn er ihn ihr in Thailand nicht gegeben hätte, schon gar nicht in der Öffentlichkeit.
Go east young man , dachte sie, go east!
„Mama ist in der Volkshochschule.“
„Was lernt sie denn?“
Der Junge lachte. „Sie doch nicht. Sie gibt Unterricht – in Thai.“
„Gut.“ Sie war froh, dass Ay-Mai einen neuen Job gefunden hatte. Es linderte ihre Schuldgefühle, denn sie selbst hatte die Freundin unfreiwillig arbeitslos gemacht. Einer eigenen Tätigkeit nachzugehen war wichtig, um nicht als Frau Restaurantbesitzer und Teil der Lokal-Folklore zu verkümmern.
„Soll ich sie von dir grüßen?“
„Sicher ... tu das.“
Der Junge bemerkte den ungehaltenen Blick seines Vaters und trollte sich.
Romy Asbach schlüpfte in ihre Jacke, nickte Theo Runke knapp zu, und verließ das Lokal. Der Jeep stand noch am selben Fleck. Die vier Flaschen Singha taten ihre Wirkung. Entschlossen ging sie auf die Fahrertür zu und klopfte an die Scheibe.
Nach einer demonstrativ langen Weile glitt die Scheibe nach unten, und Edgar Wong zeigte seine nikotinverfärbten Schneidezähne.
„Der gewohnt deprimierende Anblick“, begrüßte sie den Chinesen. „Du solltest in einem Werbespot für Kloschüsseln auftreten, Edgar.“
„Warum lässte dir überhaupt auf die Schlampe ein?“, meldete sich Henry Sung aus dem Dunkel.
Die Mischung aus Kiez-Berlinesisch und Alltagsdeutsch war Asbach vertraut. Erstaunlicherweise hatte Henry sein r gut im Griff.
„Habe ich mit der Dame geredet?“, fragte Edgar Wong seinen Partner.
„Aber det Fenster aufgemacht.“
„Gehört sich auch so“, ging sie dazwischen. „Wollte euch auch nur in Erinnerung bringen, die Dame des Hauses in Ruhe zu lassen.“
„Wir sind hier, um sie zu beschützen!“ Wong zog an seiner Kippe.
„Hassen Haftbefehl?“, höhnte Henry.
Sie ignorierte Sung. „Du solltest den Zwerg neben dir mal daran erinnern, dass es auch in diesen Breiten so was wie informelle Kanäle und Lösungen gibt, Edgar. Wenn ich jemandem die Eier abschneiden will, dann brauch ich dafür keinen Richter.“
Edgar blies Rauch aus und schnaubte dabei nachdrücklich. „Wer hat Ihnen denn so schmutzige Ausdrücke beigebracht, Lady Asbach? Wir waren bislang der Meinung, Sie hätten sich in Bangkok ein bisschen Kultur angeeignet.“
„Bei de Sitte“, brachte sich Henry erneut ein.
„Ich war nie bei der Sitte, Kleiner. Ich habe mich die meiste Zeit mit Leichen beschäftigt.“
„Ist das
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