Berlin Gothic 5: Nachts Bei Max
„Für Felix arbeiten? Willst du dir von ihm sagen lassen, womit du deine Zeit verbringen sollst?“
„Ich lerne noch“, Tills Stimme klang sanft, fast glaubte sie, sie wären wieder Kinder und würden nur auf einem Ausflug in der Stadt sein. „Felix weiß viele Dinge, von denen ich keine Ahnung habe.“
Es ist ihm wichtig, zog es Lisa durch den Kopf, es ist wegen der Arbeit, dass Till nach Bettys Hochzeit erst einmal in Berlin geblieben ist. Aber er kann nicht bei Felix arbeiten, wenn ich Felix für ihn verlasse.
Unwillig hob sie den Kopf. „Bist du dir sicher? Dass du in Felix‘ Verlag arbeiten willst?“ Wenn er sich sicher war, war entschieden, was sie tun würde.
Tills Augen glänzten. War Felix stärker als er? Doch dann fiel Lisa ihr Bruder ein. War Max von seinem Hochmut, der es ihm verbat, sich von irgendjemandem irgendetwas sagen zu lassen, nicht schon ganz in die Enge getrieben? War es also nicht richtig , wenn Till nicht ganz so überheblich war wie Max? Wenn Till mit den Füßen auf dem Boden blieb? War das nicht vielleicht gerade seine Stärke? Dass er sich eben nicht wie Max in Phantastereien verlor, die ja doch zu nichts führten, sondern wusste, wann er etwas von jemandem lernen konnte - und sich eine solche Gelegenheit nicht entgehen ließ?!
Sie streckte sich ein wenig vor und ihre Lippen berührten sein Kinn. Sie fühlte, wie seine Arme sich um sie schlossen. Wie seine Bewegung ihr Gesicht seinem zuschob. Sie schloss die Augen und versank in dem Kuss. So oft schon hatte sie sich diesen Moment vorgestellt, aber in all den Jahren war es noch nie dazu gekommen.
5
„Hej … “
Nina wandte sich um. „Irina! Was machst du denn hier?“ Nina hatte gerade das Maklerbüro verlassen und war auf die Straße getreten.
„Quentin hat mir mal erzählt, du arbeitest hier.“
Nina hatte Irina seit der Hochzeit von Betty nicht mehr gesehen. „Du hast mich gesucht?“
„Hast du einen Moment Zeit?“ Irina wirkte auf eine bezwingende Weise unschuldig und zugleich doch so, als ob derjenige, der dafür gesorgt hatte, dass es Mädchen wie sie gab, dabei an nichts Unschuldiges gedacht hätte.
Nina schüttelte sich, um den Gedanken abzustreifen. „Ich wollte gerade einen Happen essen gehen.“
„Kann ich vielleicht mitkommen?“ Irina war die Erleichterung anzusehen - als ob sie gefürchtet hätte, dass Nina sie rundheraus fortschicken würde.
„Klar! Gern.“
Sie begannen, die Straße hinunterzulaufen. Eine Weile schwiegen beide.
„Du bist heute Abend doch auch bei Max, oder?“, begann Irina schließlich.
Nina nickte. Max hatte sie bereits eingeladen, als sie noch in Paris waren. Und?
„Ihr seid zusammen, Max und du, oder?“ Irina blieb stehen und sah sie an. Jetzt war nicht mehr zu übersehen, dass sie etwas bedrückte.
„Schwer zu sagen.“ Nina nahm sich zusammen. Unwillkürlich hatte sie den Eindruck, zu wissen, was der Grund dafür war, dass Irina sie auf dem Nachhauseweg abgefangen hatte.
„Nina, ich … ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll - “
„Geht es um Max?“
War das Röte, was dem Mädchen vor ihr ins Gesicht stieg?
„Was ist mit ihm?“
Irinas Lippen bewegten sich lautlos - ihr Blick wanderte an Nina vorbei.
Nina hatte sich bisher nur ein paar Mal mit Irina unterhalten, wenn sie sie auf einem Essen oder Geburtstag im Freundeskreis um Henning oder Quentin getroffen hatte. Zu einer wirklichen Freundschaft aber war es zwischen ihr und Irina nie gekommen. Vielleicht weil Nina sich immer ein wenig mit Irina gelangweilt hatte. Auch wenn sie das so offen nie gesagt hätte, sie empfand die Ansichten von Quentins Freundin manchmal einfach ein wenig schlicht.
„Ist es, was ich denke?“ Nina spürte, wie ihr warm wurde.
Wieder Nicken.
„Wann?“
„Vorgestern.“
Scheiße! Hatte Max sich deshalb seit Paris nicht mehr gemeldet? Nina musste Luft holen.
Plötzlich fühlte sie, dass Irina ihren Arm berührte. „Ich wollte es nicht. Er … “ Sie brach ab.
„Ich bin mir nicht sicher, ob ich das alles wissen will“, herrschte Nina sie an. Es war mehr als nur Ärger, was sie empfand - es war Wut und zugleich das Gefühl, als würden viele Dinge, auf die sie sich gefreut hatte, die ihr Spaß gemacht hatten, plötzlich in einem unerträglichen Schlamm versinken.
„Es geht nicht nur um Max“, sagte Irina und sah sie fest an. „Es geht auch um Quentin.“
„Was geht mich Quentin an!“, stieß Nina hervor. Das war doch nun wirklich nicht ihr
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