Berlin Gothic 5: Nachts Bei Max
standen wirr vom Kopf ab, sein weißes Hemd war von den Umräumarbeiten ganz schmutzig. „Hilft dir denn niemand?“
„Doch, Till. Er ist nur kurz los mit Lisa … “ Max trat auf sie zu, neigte sich zu ihr, berührte flüchtig ihre Lippen.
Als er sich wieder aufrichten wollte, hielt sie ihn fest. „Wir müssen reden.“
„Ach ja?“ Er grinste. Es war ein Grinsen, das sagen wollte: Müssen? Was muss ich?
Nina hätte sich gewünscht, dass es etwas geben würde, was Max in seiner Obsession, sich von nichts und niemanden etwas vorschreiben zu lassen, ein wenig gebremst hätte. Und doch war es vielleicht gerade das, was ihr an ihm so gefiel: Seine Unabhängigkeit. So sehr gefiel, dass sie alle Vorsicht fahren ließ. „Es gibt etwas, das ich dir sagen möchte.“
Er stand vor ihr, die Hände geöffnet.
„Es haben sich in den letzten Tagen ein paar Dinge verändert.“
Max kniff die Augen zusammen.
„Es ist nicht mehr so, wie neulich auf Bettys Hochzeit.“
„Ach nein?“
Natürlich nicht: Seitdem hatten sie schon jede Menge Zeit im Bett miteinander verbracht. Aber das war es nicht, was Nina meinte. „Ich mag dich“, sagte sie. Ich liebe dich, kam ihr nicht über die Lippen.
Max‘ Kopf zuckte nach oben. Sein Gesicht schien versteinert. „Mmm.“ Er hatte seine Stimme fast spöttisch hochgezogen - egal: jetzt musste sie es zu Ende bringen.
„Ich sage das, damit du mich nicht falsch verstehst.“ Nina schlug die Augen nieder, sah nur noch seine Segelschuhe, die er immer trug. Da nichts von Max zu hören war, sprach sie einfach weiter. „Felix hat mich gebeten, mich um dich zu kümmern. Er wollte … ich weiß nicht, was er wollte. Aber es war der Grund, warum ich dich auf der Hochzeit angesprochen habe. Felix hatte mich gebeten, dich besser kennenzulernen.“ Jetzt hob sie doch den Blick, schaute in Max‘ Gesicht, das verkrampft schien, als würde jemand gewaltsam an seinen Zügen zerren.
„Ich habe mich seitdem in dich verliebt, Max. Ich … all das, was zwischen uns passiert ist, es ist nicht wegen Felix passiert, es ist passiert, weil ich es so wollte.“
„Hast du ihm das gesagt?“ Max‘ Stimme war rau und belegt.
„Nein, das habe ich nicht, du kennst Felix nicht - “
„Ich kenn‘ Felix nicht? Ich kenn‘ ihn, seit ich zwölf Jahre alt bin.“
„Du kennst ihn nicht so, wie ich ihn kenne.“
„So? Wie kennst du ihn denn?“
Das willst du nicht wissen!
Sie riss sich herum, wandte sich ab, begann fortzulaufen. Sie wollte weg von hier, sie hatte viel zu lange gewartet, sie hatte alles falsch gemacht - da spürte sie, wie er mit zwei Schritten bei ihr war, wie seine Hände nach ihr griffen, sie sanft herumdrehten. Er nahm sie in den Arm, hielt sie fest.
Gleichzeitig hörte Nina ihn atemlos reden.
„Ich weiß es, Nina, es tut mir leid, ich hätte es dir sagen müssen, ich … ich weiß nicht, warum ich das nicht längst getan habe - “
Er weiß von Felix?
„Quentin hat es mir gesagt, an dem Abend, an dem wir alle auf der Cluberöffnung waren … “
Quentin. Wie von kochendem Wasser wurde Nina plötzlich von einem anderen Gedanken getroffen - von dem Gedanken an das, was Irina ihr vorhin anvertraut hatte. Aber sie wollte sich nichts anmerken lassen. Zu sehr war Max‘ Umarmung die Lösung für all die Grübeleien, in denen sie verstrickt gewesen war, seitdem sie ihn zum ersten Mal angesprochen hatte.
Nina rollte sich in seinen Armen zusammen - und konnte doch keine Ruhe finden: Sollte sie ihm wirklich schon wieder etwas verschweigen, ging es ihr durch den Kopf. Dass sie wusste, was zwischen ihm und Irina vorgefallen war?
Mit einer heftigen Bewegung befreite sie sich aus seiner Umarmung - stieß ihn regelrecht von sich. Sie fasste sein Gesicht ins Auge und sah die Furchen, die es trotz seiner jungen Jahre bereits durchzogen. „Quentin wird heute Abend hierher kommen - Irina hat es mir gerade gesagt.“ Sie spuckte es regelrecht aus.
Spott blitzte in Max‘ Blick auf.
„Warum hast du mit ihr geschlafen?!“, schrie sie - und wusste es im gleichen Moment selbst: „Weil du wusstest, dass Felix mich zu dir geschickt hat!“
„Was erwartest du denn?“, schlug Max ihr seine Antwort mit der gleichen Heftigkeit um die Ohren - aber es wirkte wie eine Befreiung. Als würden auf diese Weise all die Spinnweben, die sich um sie gelegt hatten, zerreißen - all die Absichten der anderen, in die sie eingespannt werden sollten, zerplatzen.
„Ja, ich war bei Irina!“, herrschte
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