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Berlin Gothic 6: Die versteckte Bedeutung (Thriller)

Berlin Gothic 6: Die versteckte Bedeutung (Thriller)

Titel: Berlin Gothic 6: Die versteckte Bedeutung (Thriller) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Winner
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Himmel, den sie vom Bett aus durch das Fenster sehen konnte, bereits die für Berliner Frühlingsmorgen so typische stahlblaue Färbung angenommen. Es war nicht mehr dunkel und noch nicht hell, aber Lisa konnte bereits erkennen, dass es ein bewölkter Tag werden und wahrscheinlich jeden Moment ein feiner Regen einsetzen würde.
    Sie schaute zur Seite. Neben ihr unter der dicken Daunendecke lag Till. Sein Mund war leicht geöffnet, sein tiefes Atmen zu hören. Sie kannte sein Gesicht seit sie elf Jahre alt war, aber sie war noch nie nackt mit ihm in einem Bett aufgewacht. Vor drei Wochen hatten sie sich zum ersten Mal geküsst, und dass sie in der vergangenen Nacht miteinander geschlafen hatten, war auch nicht das erste Mal gewesen. Dass Lisa bei ihm übernachtet hatte, allerdings schon.
    Sie drückte das Kissen, auf dem sie geschlafen hatte, zusammen und stopfte es sich unter den Hinterkopf, um ein bisschen höher zu liegen. Auf beiden Seiten von ihrem Gesicht breiteten sich ihre Haare um sie herum aus. Sie zog die Decke unter das Kinn und verschränkte die Arme darunter. Es war bereits Mitte Mai aber morgens immer noch kalt in Berlin.
    Felix war am Vortag für eine Nacht nach Mailand geflogen, er hoffte, einige Lizenzen an einen italienischen Partner verkaufen zu können, hatte er ihr gesagt. Lange hatte Lisa mit sich gerungen, ob sie bei Till schlafen sollte, aber dann einem diffus in ihr arbeitenden Wunsch nachgegeben. Und es war eine richtige Entscheidung gewesen, wie sie jetzt dachte, auch wenn die Sorgen sie umso ärger bedrängten, je mehr sie aus dem Schlaf ins Erwachen hinüberglitt.
    Sie war nicht mit Felix verheiratet, im Gegenteil: Er war noch immer der Ehemann von Sophie von Quitzow, deren Nachnamen er angenommen hatte, und Lisa war - soweit sie wusste - nicht einmal seine einzige Freundin, hatte er sich doch von Maja, Ninas Mutter, niemals vollkommen getrennt. Lisa war zwar davon überzeugt, dass er sich seit Längerem weder mit Nina noch mit Irina getroffen hatte, und doch wusste sie, dass er außer zu Maja auch zu diesen beiden, ebenso wie zu vielleicht noch ganz anderen Frauen, einen wie auch immer gearteten Kontakt gehalten hatte.
    Sie selbst hingegen, Lisa, hatte außer Felix in all den Jahren keinen anderen Mann gehabt. Dennoch war sie immer von dem sicheren Bewusstsein beseelt gewesen, dass die Beziehung, die sie und Felix miteinander verband, weitaus wichtiger für ihn war, als alle anderen Freundschaften und Affären, die er unterhielt. Und das gleich aus mehreren Gründen: Weil Felix das ihr gegenüber immer wieder betont hatte, weil sie die einzige Frau war, mit der er in den letzten zehn Jahren zusammengelebt hatte, und weil er ein Kind von ihr wollte. Aber auch, weil sie die Tochter von Xaver Bentheim war, dem einzigen Mann, den Felix - soweit sie das beurteilen konnte - jemals bewundert hatte. Ja, manchmal kam es Lisa beinahe so vor, als hätte Felix die Hochachtung, die er früher ihrem Vater entgegengebracht hatte, in gewisser Weise nach dessen Tod auf sie übertragen.
    „Es ist vorbei“, flüsterte sie und lauschte auf Tills Atmen.
    Spätestens im Lauf der vergangenen Nacht war sie sich darüber klargeworden, dass sie Till liebte und vielleicht immer geliebt hatte, und dass ihre Beziehung mit Felix damit endgültig unerträglich geworden war.
    Wie aber sollte sie sich von ihm trennen? Sollte sie ihn um ein Gespräch bitten, wenn er aus Mailand zurück sein würde, und ihm eröffnen, dass sie ihn verlassen und mit Till leben würde? Das war nicht nur deshalb problematisch, weil Lisa sicher war, dass Felix sie nicht so einfach ziehen lassen würde, sondern auch, weil Till ja ausgerechnet bei Felix arbeitete! Sollte sie Till bitten, seine Stelle bei Felix aufzugeben, eine Stelle, an der Till - daran hatte er nie einen Zweifel gelassen - sehr viel lag?
    Lisa atmete aus. Was das anbetraf, verstand sie Till nicht. Es musste ihn doch genauso bedrücken wie sie, dass ihre Liebe mit der Arbeit, in die Till sich von Woche zu Woche mehr vertiefte, nicht in Einklang zu bringen war. Wie stellte er sich das denn vor? Dass es ewig so weiter gehen könnte? Machte er sich denn keine Sorgen, dass er sich früher oder später würde entscheiden müssen, ob er für Felix arbeiten wollte oder mit Felix‘ Freundin schlafen? Wie konnte Till davor die Augen verschließen?
    Sie drehte sich ein wenig auf die Seite und blickte durch das Fenster in den aufgehenden Morgen. Konnte es sein, dass Till eher auf sie

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