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Berlin Gothic 6: Die versteckte Bedeutung (Thriller)

Berlin Gothic 6: Die versteckte Bedeutung (Thriller)

Titel: Berlin Gothic 6: Die versteckte Bedeutung (Thriller) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Winner
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zum Beispiel untersucht, wie man die Lebenszeit, die ein Leser mit einem Buch verbringt, mit dem Inhalt des Buches verknüpfen kann.“
    „Wow.“
    „Ja, das war ziemlich aufwendig. Wir haben einer ganzen Gruppe von Leuten einen bestimmten Lesestoff gegeben und dann - gegen Geld natürlich - von ihnen verlangt, dass sie während der Zeit im Hotel, die sie für uns gearbeitet haben, möglichst nur über die Ereignisse sprechen , die in diesem Stoff geschildert werden. Sonst passierte ja auch nichts in ihrem Leben, außer, dass sie die Bücher lasen.“ Quentin grinste. „Das kennst du sicher auch: Wenn du ein Buch liest, stehen die Ereignisse, von denen du gelesen hast, und die Ereignisse, die du wirklich erlebt hast, im Kopf ja in gewisser Weise gleichberechtigt nebeneinander. Und bei diesem Gruppenexperiment ging es uns nun darum, mit allen Mitteln gleichsam das Fiktive realer zu machen als das Reale . So haben wir zum Beispiel angefangen, die Leute dafür, dass sie gewisse Fragen zum Text beantworten konnten, zu belohnen. Mit besonders gutem Essen, auch mit Sex.“ Er lachte. „Das war dann in der Endphase des Experiments. Ein paar Jungs haben wirklich Sex bekommen, wenn sie die Fragen richtig beantworten konnten. Und die Frau, die ihnen dafür zugeführt wurde, hatten wir gerade so aufgemacht, wie die Heldin im Buch! Kannst du dir vorstellen, mit welcher Vehemenz sie den Text studiert haben, nachdem sie erfahren haben, dass sie mit der Heldin schlafen würden, wenn sie die Fragen nur richtig beantworteten? Bei einer falscher Antwort ging sie eben wieder!“ Quentin freute sich wirklich, das war nicht zu verkennen.
    „Und dann“, er sah Till mit blitzenden Augen an, „wenn wir sie richtig scharf auf den Stoff gemacht hatten, haben wir eine Kehrtwende gemacht und angefangen, die Leser im Text persönlich anzusprechen. ‚Hör auf zu lesen‘, stand dort dann geschrieben, ‚wenn du frei bist, hör auf zu lesen!‘“
    „Wobei der Text aber weiterging, oder was?“
    „Na klar! Der Text ging weiter, jede Menge Buchstaben, jede Menge Seiten, jede Menge Erzählstoff - der noch vor ihnen lag. Aber im Text wandte sich der Erzähler an den Leser und sagte ihm: ‚Hör auf zu lesen, auch wenn es noch hundert Seiten bis zum Ende sind!‘ Mitten im Erzählfluss, wo noch tausend Fragen, wie es mit den Figuren des Buches weitergehen würde, offen waren.“ Quentin öffnete den Mund, ließ ihn kurz offen stehen - und stieß dann hervor: „‚Hör auf zu lesen!‘“
    „Und?“
    „Großartig! Es war wie eine Falle, die kurz davor ist, zuzuschnappen. ‚Wenn du frei bist‘, hat der Leser gelesen, ‚kannst du doch aufhören zu lesen, oder?‘ Aber das hat keiner gemacht. Ich sag dir: kein Einziger! Sie haben alle weitergelesen!“ Quentins Augen glänzten.
    „Ja, okay … “
    „Ja genau, aber wart‘s ab: Das Buch selbst war ja, wie gesagt nicht zu Ende. Und die Handlung, die erzählt wurde, ging weiter damit, dass der Held der Erzählung in eine Lage gerät, wo er entscheiden muss, ob er eine bestimmte Sucht besiegen kann - oder nicht.“
    Till kniff die Augen ein wenig zusammen.
    „Und er besiegt sie - verstehst du?!“ Quentin schlug sich auf den Oberschenkel. „Er besiegt die Sucht - der Held, im Buch! Und damit schnappt die Falle zu! Denn nachdem der Held die Sucht besiegt hat, also AUFGEHÖRT hat, die Frau zu sehen, zu spielen, um welche Sucht auch immer es ging, haben wir uns im Text wieder an den Leser gewandt: ‚Der Held hat die Sucht besiegt und damit gezeigt, dass er frei ist.‘ Und weiter: ‚Aber der Held ist nur eine fiktive Figur , die wir uns ausgedacht haben, die nicht wirklich existiert. Du aber, lieber Leser, du bist keine fiktive Figur, dich gibt es wirklich , du lebst, existierst wirklich. Und du hast die Sucht nicht besiegt! Sonst wärst du ja nicht bis ans Ende des Buchs gekommen. Das aber zeigt: Du bist NICHT FREI!“
    Quentin öffnete wieder den Mund und breitete die Hände aus, als wollte er ‚Quod erat demonstrandum‘ sagen.
    Till musste lachen. „Ja, gut, das ist nicht schlecht.“
    Gleichzeitig aber musste er denken: ‚Was bezweckt er damit? Warum will Felix den Menschen um jeden Preis zeigen, dass sie nicht frei sind?!‘

 
    BERLIN GOTHIC 6
     
    Dritter Teil
     
     
     
     


     
    Heute
     
    Claire sitzt auf dem Rasen, abgelaufen und zerpflügt, wie er ist. Der Rasen im Montbijoupark, gegenüber von der Alten Nationalgalerie, die sich wie ein preußischer Tempel auf der

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