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Berlin Gothic 6: Die versteckte Bedeutung (Thriller)

Berlin Gothic 6: Die versteckte Bedeutung (Thriller)

Titel: Berlin Gothic 6: Die versteckte Bedeutung (Thriller) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Winner
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anderen Seite der Spree vor ihnen erhebt.
    „Ich sehe das alles praktisch schon vor mir.“ Sie nimmt den Blick nicht von der Museumsinsel. „ Berlin Jetzt werde ich mein Fotobuch nennen, und du“, sie lächelt, während sie daran denkt, „wirst auf dem Cover vorn drauf sein.“
    „Ha!“ Sie hört Frederik neben sich lachen.
    Claire schlingt die Arme um ihre Knie. „Nach dem Sieg über Lubajew, du warst … wie im Rausch … die Fotos sind … wie soll ich sagen … irgendwie berührend geworden.“ Sie legt den Kopf ein wenig auf die Seite, um ihn anzusehen.
    Frederik nickt. Er freut sich fast wie ein kleiner Junge. „Na schön“, sagt er, „ich bin vorn auf dem Umschlag. Und was ist drin in dem Buch, was für Fotos?“
    „ Berlin jetzt “, Claires Blick wandert zurück zu dem Tempel. „Es geht um die Menschen und ihre Arbeit. Die Fließbandarbeiterinnen in Tempelhof, die Regierungsbeamten in Mitte, die Ärzte der Charité, kurz bevor sie in den OP gehen.“
    Sie hört, wie sich Frederik neben ihr auf den Rücken ins Gras sinken lässt.
    „Der DJ, der morgens nach Hause läuft, der Alte an der Eckkneipentheke, der U-Bahnschaffner, der sich von seiner Frau verabschiedet. Der Zeitungsreporter, der im Springerhochhaus aus dem Fenster schaut, der türkische Großhändler, der seine LKW-Flotte dirigiert. Der Pförtner von der JVA Tegel, der Straßenarbeiter auf seiner Walze, der Kulturattaché im Foyer der Französischen Botschaft am Pariser Platz. Das Zimmermädchen im Adlon, die Praktikantin beim Staatsminister, der Arbeitslose in seiner Spandauer Kellerwohnung. Der Dachdecker auf dem Hochhaus in Marzahn, der Taxifahrer neben seiner Droschke, die Kassiererin im Supermarkt. Die Mutter, die ihre Tochter von der Schule abholt, der Rentner, der seine Wohnung nicht mehr verlässt.“ Sie wirft Frederik einen Blick zu, aber er hat die Augen geschlossen.
    „ Berlin jetzt . Was ist das für eine Stadt!“ Ihr Blick wandert über den Fluss, der sich ihnen zu Füßen dahinwälzt. „Allein die Geschichte, die Zeit mit den Nazis? Hitlers Bunker? Er war ja wirklich hier, das ist keine urban legend oder so etwas, er befand sich gar nicht weit von der Stelle, auf der wir gerade sitzen. Und dieser Mann lebte darin - ist darin gestorben … ich meine, es kommt einem immer so vor, als hätte man es im Kino gesehen, aber es war kein Hollywoodfilm, es ist wirklich passiert, hier bei uns, in Berlin.“ Sie hat die Augen jetzt ebenfalls geschlossen, das Licht blendet zu sehr. „Warst du mal im Tresor? Dem Club mit den Schließfächern vom alten Wertheim-Kaufhaus? Wenn sie den Techno dort so laut aufdrehen, dass es dir so vorkommt, als wärst du unter Wasser? Das ist Berlin, oder? Die ganze Welt kennt dieses Berlin-Gefühl, oder wie auch immer man es nennen will. Wenn ein Typ wie Blixa Bargeld Der morgige Tag ist mein singt. Nimm Marlene Dietrich, nimm die Teilung der Stadt, nimm die russischen Panzer auf der Stalin-Allee. Das ist diese Stadt.“ Es kommt ihr fast so vor, als würde sie in ihrem Buch bereits blättern. „Es ist alles im Umbruch, Frederik, wir spüren es schon, aber wir können es noch nicht benennen. Alles steht noch, alles sieht noch so aus wie vor zwanzig Jahren, aber wir spüren: Das sind nur noch die Außenmauern, die Fassaden, dahinter befindet sich bereits alles im Fluss, in der Umwandlung, in Bewegung.“ Sie holt Luft. „Im Rückblick werden wir es mit großer Logik und Folgerichtigkeit erklären können: ‚Und dann geschah das, dann das, dann das und natürlich auch das. Und das alles war nichts anderes als die Ablösung eines längst überfälligen Systems. Erst wankte es wie ein schwerfälliger Koloss, dann brach es in sich zusammen - mit einer Schnelligkeit, mit der niemand gerechnet hatte. Im Rückblick wird es jeder erklären können, Frederik - wir aber stehen unmittelbar davor! “
    Ein feines Pochen hat begonnen, sich in ihrem Bein nach oben zu ziehen.
    „Wir aber stehen unmittelbar DAVOR … “ Das Pochen wandelt sich in eine heiße Spur, die ihren Bauch durchpflügt und sich auf ihr Herz legt.
    „ … ABER WIR KÖNNEN NICHTS SEHEN!“ Ganz plötzlich haben sich ihre Augen mit Tränen gefüllt, verzweifelt blickt sie Frederik an, bemerkt, wie er sie trösten will und doch nicht weiß, was er tun soll.
    „WIR KÖNNEN NICHT SEHEN, WAS AUF UNS ZUKOMMT“, bricht es aus ihr hervor und das Schluchzen reißt an ihrem Körper.


     
    Vor zwei Jahren
     
    Als Lisa erwachte, hatte der

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