Berlin Gothic 6: Die versteckte Bedeutung (Thriller)
Sofa hinter ihm sitzen.
„Er hat Angst, dich so zu sehen, Max. Was ist denn los?“
„Nichts, wieso?“
„Felix kam bei mir rein und sagte, du seist außer dir … ob ich nicht mit dir sprechen könnte.“
„Hat er Angst vor mir, ja?“
„Würd ich sagen.“ Till fiel auf, wie eingefallen Max‘ Gesicht wirkte. Er sah aus, als ob er drei Wochen lang nicht geschlafen hätte.
„Was meinst du, Lennart?“ Max warf Boll einen Blick zu.
„Wirklich Max, wegen mir brauchst du das nicht zu machen … “
Max schaute zurück zu Till. „Will ich aber. Ich will, dass sie dich hier einstellen.“
Till nickte. „Hast du schon mit Henning darüber gesprochen?“
„Hab ich.“
„Und?“
„Du weißt doch, wie Henning ist. Ja, ja, okay okay, sagt er - machen tut er aber genau das Gegenteil.“
Den Eindruck hatte Till in der Tat auch schon gewonnen.
„Kannst du vielleicht ein Wort für Lennart einlegen, Till?“
Lennart hatte den Blick gesenkt und starrte auf seine Hände, die er in den Schoss gelegt hatte. Der Mann hatte etwas an sich, das so ziemlich alle Alarmglocken in Till schrillen ließ. Drogen? Hat er mal gesessen? Till wusste es nicht.
„Ich kann mit Felix reden, Max, kein Problem“, sagte er, aber die Worte klangen irgendwie falsch. „Mach ich gern“, fügte Till hinzu, in der Hoffnung, den Misston in seiner Stimme nochmal abzufangen.
„Kannst du, ja?“ Max hatte den Kopf ein wenig in den Nacken gelegt.
Till nickte stumm. Ja - ha.
„Till ist von meinem Vater damals aufgenommen worden.“ Max schaute zu Lennart. „Da waren wir elf oder zwölf. Und jetzt“, er blickte zurück zu Till, „bist du derjenige, der für mich ein Wort beim Kollegen meines Vaters einlegt, stimmt‘s?“
Da gab‘s nichts zu zu sagen. Max selbst hatte ihn doch eben darum gebeten.
„Kommt dir das nicht komisch vor?“
Das entwickelt sich in die falsche Richtung, musste Till denken. Aber es war kein kalter, strategischer Gedanke, eher so etwas wie Mitleid. Wo reitest du dich da rein, Max?
„Ist doch Quatsch“, sagte Till etwas unbeholfen und berührte Max‘ Arm. „Komm, lass uns raus hier. Ich kenne ein Café in der Nähe, da können wir uns setzen und reden, hier ist es doch blöd - “
Mit einer kurzen Bewegung schüttelte Max Tills Hand ab. „Du willst mich hier rausbringen, ja? Hat dich Felix darum gebeten?“ Sein Gesicht spannte sich an. „Deshalb tauchst du hier plötzlich auf! Felix hat dir gesagt: ‚Rede du mal mit Max, ihr seid doch befreundet. Der spielt da unten völlig verrückt.‘ Oder? So war’s doch!“
Till presste die Hand an die Schläfe.
„Sollst du uns rauswerfen, Till? Hast du dich hier gut eingenistet und gibst mir jetzt einen Tritt?“
Max‘ Augen waren noch etwas tiefer in ihre Höhlen gesunken. Er hielt die Lider halb abgesenkt, unter ihnen schienen seine dunkelbraunen, fast schwarzen Pupillen zu brennen.
„Ist das die einzige Drecksarbeit, die er von dir verlangt, Till? Mich rauswerfen? Mich abfertigen? Oder erledigst du auch noch andere Sachen für ihn?“
„Ich will mich nicht mit dir streiten, Max“, murmelte Till. „Es tut mir leid, wenn es dir nicht gut geht. Ich will dir helfen. Verstehst du?“ So wie du mir damals geholfen hast. „So wie du mir damals geholfen hast, mit dem Schuppen, in eurem Garten.“ Von der plötzlichen Erinnerung übermannt, senkte Till den Blick auf den Boden
„Und weißt du, was er dann gemacht hat, Lennart?“, hörte Till Max sagen. „Dann ist er mit meinem Vater in die Kanäle gegangen.“
Es war, als würde Tills Kopf förmlich hochgerissen. Verschwommen sah er Max vor sich, den lachenden Mund, die brennenden Augen. Die Worte zogen sich in die Länge, schienen zu eiern.
„Sag doch mal, Till - was habt ihr da unten eigentlich gemacht - ihr beide, mein Vater und du?“
Im nächsten Augenblick hatte Till ihn am Arm gepackt und zu sich herangezogen. In Tills Kopf blitzte es. Wollte Max herausposaunen, was in den Kanälen passiert war? Da fühlte er, wie Max ihn mit voller Kraft und beiden Händen zurückstieß - zugleich aber lachte.
„Lass mich los, Mann, ist schon okay.“
Max wischte sich mit dem Unterarm über den Mund und Till sah, wie die Schweißperlen, die sich auf seiner Oberlippe gebildet hatten, eine feuchte Spur auf der Haut hinterließen.
„Lennart“, Max machte seinem Kumpel auf der Bank ein Zeichen und Lennart stand auf. „Wir gehen jetzt, mir reicht’s für heute. Sag Felix einen schönen Gruß
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